Der Deutsche Ethikrat hat am 4. April eine 160 Seiten lange Stellungnahme veröffentlicht, die sich mit den Folgen der Pandemie beschäftigt. Fragestellung: Was kann und muss die Gesellschaft daraus lernen?
Erste Erkenntnis: Der Deutsche Ethikrat kann auch Englisch. Die Überschrift lautet: „Lessons learned.“ Das war der erste Teil. Der zweite Teil der Überschrift lautet: „Ethikrat bietet Orientierung für den künftigen Umgang mit Pandemien“.
https://www.ethikrat.org/mitteilungen/mitteilungen/2022/lessons-learned-ethikrat-bietet-orientierung-fuer-den-zukuenftigen-umgang-mit-pandemien/
Auch ich habe meine Lektionen gelernt. Im Deutschunterricht. So kann man in Sätzen unterschiedliche Schwerpunkte setzen: „Ethikrat bietet Orientierung für den künftigen Umgang mit Pandemien“, ist eine Aussagemöglichkeit. Die andere wäre gewesen: „Ethikrat bietet Orientierung für den Umgang mit künftigen Pandemien“. Der Unterschied scheint marginal – ist aber gewaltig. Es geht um den künftigen Umgang. Und darin liegt die noch verhohlene Kritik des Ethikrates am bisherigen Umgang. Die unverhohlene Kritik, die im Text zur Sprache kommt, löst natürlich umfangreiche mediale Reaktionen aus.
Das 160-Seiten-PDF des Ethikrates mit dem Titel "Vulnerabilität und Resilienz in der Krise. Ethische Kriterien für Entscheidungen in einer Pandemie. Stellungnahme":
https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Stellungnahmen/deutsch/stellungnahme-vulnerabilitaet-und-resilienz-in-der-krise.pdf
Kurz zurück in meine Deutschstunde: Überschriften, die kein Verb enthalten, können schon mal problematisch werden: Ist hier die Vulnerabilität in der Krise? Die Resilienz? Beide? Nein, natürlich nicht. Die Krise ist. Und die Vulnerabilität sowie die Resilienz befinden sich sozusagen darin. Ohne selbst in der Krise zu sein. Sprachspielerei. Zugegeben. Aber der Ethikrat kann noch viel schöner mit Sprache spielen. Das, was hinter dem Link veröffentlicht ist, nämlich die gesamten 160 Seiten, ist die "Vorabfassung". Und die werde durch die lektorierte Fassung noch ersetzt. So steht es da. Heißt das etwa: "Änderungen vorbehalten"? Wobei: Nicht immer alles kritisieren. Es hat doch auch was Gutes, wenn der Ethikrat seine Gedanken veröffentlicht, bevor sie lektoriert sind, oder?