Am Anfang war die Wurst - bis die EU das Wort ergriff
Ohne Wurst ist das Leben Käse, oder?
Wer diesen Spruch erfunden hat, der wusste offenbar nichts von der Käsewurst. Und wer die Käsewurst für vegetarisch hält, der hat keine Ahnung von unserer Fleischkultur. Der Käse macht hier nur als Zutat die Wurst zur Spezialität.
Und der Leberkäse, bestimmt auch eine Spezialität, enthält zumeist weder Leber noch Käse. Die Gesetzeslage: Bayerischer Leberkäse darf keine Leber enthalten, muss aber nicht aus Bayern sein. Stuttgarter Leberkäse muss hingegen mindestens fünf Prozent Leber enthalten. Und weil vermutlich der Leberkäse älter ist als das deutsche Lebensmittelrecht, darf er Käse heißen, obwohl er keinerlei Bestandteile aus Milch enthält. Kein anderes Lebensmittel darf das.
Sprachgeschichtlich geht der Leberkäse aber weder auf den Käse zurück noch auf die Leber. So meinen zumindest die meisten Forscher. Die Leber kommt vom Laib, der Käse vom Lateinischen caseus. Das die einen mit „Gegorenes“ übersetzen, die anderen mit „Gepresstes“.
Parallel zum Leberkäse gibt’s den Fleischkäse. Wer das Wort für eine Erfindung der Lebensmittelrechtler hält, die dazu dienen soll, uns bezüglich des Inhaltes des Produktes nicht auf die falsche Fährte zu locken, der irrt. Der Fleischkäse ist den Norddeutschen, den Österreichern und den Schweizern schon immer das gewesen, was in Bayern und auch in Österreich der Leberkäse ist.
Sie sehen: Eine sprachliche Ordnung ließe sich hier nur schwer schaffen. Und wer sich daran versuchen würde, der könnte die Verwirrung nur vergrößern.
Ähnlich verhält es sich mit der Wurst. Nur, dass hier die EU gerade Ordnung schaffen will. Sprachlich betrachtet. Denn es geht offenbar nicht an, dass der Verbraucher, der eine Wurst aus Fleisch kaufen möchte, womöglich versehentlich eine Wurst ohne Fleisch kaufen könnte. Auch wenn dieser Verbraucher seit Jahrhunderten einen Leberkäse ohne Leber kaufen darf. Und auch wenn dieser fleischeslustige Verbraucher gegenwärtig vor der fleischlosen Wurst mit Sicherheit mit den Worten vegan oder vegetarisch gewarnt wird.
Und das ist, rein sprachlich betrachtet, wieder völliger Unfug: Die Wurst ist von ihrer Wortherkunft nichts weiter als ein Gemengelage. Etwas Gedrehtes, Vermischtes. Sprachlich entfernt verwandt mit dem Verworrenen. Aber ChatGPT legt in seiner Erläuterung Wert darauf, dass das Verworrene eher eine intellektuelle Angelegenheit ist, während das Verwurstete ganz konkret und physisch entstanden ist.
Um noch mehr Verwirrung zu stiften: Auch das Schnitzel hat, sprachlich betrachtet, erst einmal nichts mit Fleisch zu tun. Es handelt sich hier – sogar nachvollziehbar noch – um das Geschnittene. Das Grimmsche Wörterbuch macht das Abgeschnittene – und damit den Abfall – zum Anfang aller Schnitzel.
https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB&lemid=S15530
Womit sich ja vielleicht wieder der Kreis schließt. Denn so manches fleischlose Schnitzel musste sich den Vorwurf gefallen lassen, aus der Abfallstoffen hergestellt zu sein. Das ist natürlich so nicht richtig. Richtig aber ist, dass es noch nicht wirklich definiert ist, woraus ein richtiges veganes oder ein richtiges vegetarisches Schnitzel zu bestehen hat. So weit ist die EU noch nicht, sie beginnt ganz von vorn. Mit der Namensgebung. Und die ist auch beim Schnitzel nicht wurscht. Nur wenn das Schnitzel aus Fleisch besteht, soll es Schnitzel heißen dürfen.
Das aber ist wieder völlig Käse. Denn dann nehmen wir dem Schnitzel seine bedeutende Bandbreite. Oder was fegen Sie auf dem Fußboden zusammen, wenn eine Horde Kinder mit Schere und Papier gearbeitet hat? Schnitzel. Und was packen Sie diesen oder anderen Kindern in die Brotdose, wenn Sie ihnen gesunde Vitamine zukommen lassen wollen? Apfelschnitze. Zugegeben – denen fehlt das „l“. Doch ihre sprachliche Herkunft ist eindeutig. Sie sind ebenso geschnitten, wie das Geschnetzelte, von dem es ebenso vegetarische und vegane Varianten gibt. Das aber hat die EU offenbar noch nicht gar nicht bemerkt. Oder sie will gegen das Geschnetzelte erst später vorgehen.
Aber vielleicht hat sich ja auch die Mehrheit der EU-Parlamentarier deutlich geschnitten, als sie den fleischlosen Würsten, Schnitzeln und Burgern an die Sprache gingen. Denn: Die Entscheidung ist ja noch gar nicht wirklich gefallen. Nun muss der ganze Wortsalat ausdiskutiert werden zwischen EU-Parlament und den Regierungen der 27 Mitgliedsländer. Womöglich stellt sich dann heraus, dass man der Sprache gar nicht vorschreiben kann, wie sie angerichtet werden will.
Links zum Thema:
https://de.euronews.com/my-europe/2025/10/08/wann-ist-eine-wurst-eine-wurst-europaisches-parlament-klart-die-frage?utm_source=chatgpt.com
https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/eu/id_100947244/veggie-burger-eu-parlament-stimmt-fuer-umbenennung-von-fleischalternativen.html?utm_source=chatgpt.com
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