Ja, die Welt könnte so schön und so neu sein. Digital ist sie ja schon. Und weil es so schön ist und wir so vernünftig sind, könn(t)en wir alle die Informationen, die für unsere Retter im Notfall (dringend) erforderlich sein könn(t)en, so auf unseren Handys speichern, dass sie ohne PIN abrufbar sind. Das ist doch schön und praktisch zugleich, oder? Auf jeden Fall ein tolles Feature. Meine Hosentasche zum Beispiel greift ständig auf dieses Feature zurück. Von ganz allein. Das liegt aber vielleicht auch nur daran, dass ich in dieser schönen neuen Welt noch immer nicht weiß, wie ich auf meinem Handy die Display-Sperre einrichte. Aber Sie kennen diese Art von Grenz-Erfahrungen gewiss selbst.
Jemand, der über all diese digitalen Fragen vielleicht erhaben ist, gewiss aber den Durchblick hat, und der allen Menschen, deren Handynotfälle er zu händeln gebeten wurde, zur Eingabe von Notfalldaten geraten hat, hat jetzt die Notfalldienste nach der Notwendigkeit von Notfalldaten auf dem Handy befragt. (Link unten) Um es kurz zu machen: Sie sind gewiss nice to have, diese Notfalldaten. Nötig sind sie aber nicht. Oder nur bedingt. In den ersten 30 bis 40 Minuten stellen sich den Notfallsanitätern nämlich ganz andere Fragen als die, welche Medikamente dieser Mensch in akuter Not für gewöhnlich nehmen muss. Und auch der Name dieses Menschen spielt im Notfall nicht die bedeutendste Rolle.
Dies als Antwort auf meine Ärztin, die neulich – ohne mit der Wimper zu zucken – behauptet hat, ich müsse meinen Personalausweis ständig bei mir führen. Allein schon wegen der Retter, die mich im Notfall am Leben erhalten. Nein, habe ich kühn zu behaupten gewagt, die Retter retten mich auch, wenn sie meinen Namen nicht kennen. Und ja: Ich bin ausweispflichtig. Sie wahrscheinlich auch. Das heißt aber nur, dass ich einen Ausweis besitzen muss – und ihn auf Verlangen vorzeigen können muss. Ich muss ihn nicht ständig mit mir führen. Sollte ich ihn dann aber zur Feststellung meiner Identität, zum Beispiel während einer Demo, vorzeigen müssen und habe ich ihn nicht dabei, dauert die Feststellung meiner Identität natürlich leider etwas länger. Im Zweifelsfall ist sie auch unangenehmer. Weswegen es klug ist, an Orten und in Situationen, in denen zu erwarten ist, dass es einem passieren kann, sich ausweisen zu müssen, auch einen Ausweis mit sich zu führen.
Warum ich jetzt das Eine mit dem Anderen verknüpfe? Die Aufforderung, meinen Ausweis ständig mit mir zu führen, begegnete mir bei meiner Ärztin nicht zum ersten Mal. Der Auffassung sind tatsächlich viele Menschen. Es hat mich nur ausgesprochen verblüfft, dass eine Ärztin sie so vehement – und so unbelehrbar – vortrug.
Dahinter steckt, so mein Verdacht, eine stille Sehnsucht. Man kann sie für eigentümlich deutsch halten – oder einfach nur für eigentümlich: Es ist unser aller Sehnsucht, erkannt zu werden.