Das Gute am Trend: Er geht vorüber. Das Schlechte am Trend: Er kommt wieder. Erst recht da, wo Zeit und Raum nichts mehr gelten und die Welt, in der wir leben, nicht mehr rund, sondern vornehmlich digital und internett ist. Also ist diese Wahrheit für die Katz. Denn oft beißen sich Trends aller Art nach genügend Umläufen in den eigenen Schwanz. Ein Trend jagt den anderen – und wer nicht aufpasst, wem Zeit und Raum abhandenkommen, der verliert schon mal die Dimension und sieht sich mit Trends konfrontiert, deren Gleichzeitigkeit eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist.
Einer der neueren Trends – aber wie gesagt, Zeit und Raum spielen ja kaum noch eine Rolle – ist die Selbstoptimierung. Mittel und Wege dorthin gibt es viele. Ziele auch. Das jüngste Ziel ist der frühe Vogel: Wer im Leben etwas leisten will, steht jetzt um 5 Uhr auf. Nicht um den Wurm zu fangen, der zwar proteinreich, nicht aber fleischlos ist, sondern um all eben diese Möglichkeiten der Selbstoptimierung überhaupt ausführen zu können. Frühmorgens vor der Arbeit stehen auf der Liste, wahlweise oder kumulativ: Yoga, Joggen, Meditation, Bücherlesen, Musikhören … Arbeiten noch nicht, das kommt später. Nach dieser Optimierung, die im besten Fall, so der Anspruch, die Wachsamkeit und Wachheit, die innere und äußere Stärke, unheimlich in die Höhe treibt und den Betreiber erst in die Lage versetzt, das Beste aus sich herauszuholen und es (den anderen) zu verabreichen oder es sich selbst zu zeigen, fängt der Arbeitstag ja erst an. Und wenn der Arbeitstag aufhört, ist wieder genügend Gelegenheit zur Selbstoptimierung.
Also: 5 Uhr aufstehen. Das Buch zum Thema ist längst geschrieben, und der 5-Uhr-Club hat auch unter seinen Nicht-Lesern haufenweise Follower. Der moderne Mensch ist optimalerweise ein Frühaufsteher. Das hat Folgen. Und zwar fürs Abendessen. Es gibt in New York bereits Menschen, die betrachten es als unhöflich, wenn sie zu acht Uhr abends eingeladen werden. Denn dann ist es ihnen nicht mehr möglich, auf die Mindeststundenzahl an Schlaf zu kommen, die der Mensch benötigt, auch außerhalb jeglicher Optimierung. Wer sieben Stunden Schlaf haben möchte, der muss um zehn Uhr abends im Bett liegen, wenn er um fünf Uhr aufstehen möchte. Rechnerisch geht das klar. Was diese Höflichkeitsan- und -zumutungen für die Zeitpunkte und Termine für zwischenmenschliche Beziehungen betrifft, muss ich Ihnen den Beweis schuldig bleiben. Nicht alles, was ich im Internet gelesen habe, lässt sich dort auch wiederfinden. Vielleicht muss ich ja mein Leseverhalten optimieren. Oder Google seine (und meine) Leseprotokolle.
Sei’s drum. Es geht hier auch weniger um’s Frühaufstehen. Es geht um die Selbstoptimierung im Allgemeinen, in der alles möglich ist. Sie können sich verbessern, wie Sie wollen. Und Sie können die 5-Uhr-Stunde nutzen, um Muße zu lernen. Denn ja: Muße und Müßigkeit sind auch zwei ganz wichtige Vokabeln für den, der selbst immer besser werden will.
Wer jetzt an die „Anekdote zur Senkung von Arbeitsmoral“ denkt, liegt so richtig wie falsch. Heinrich Böll hat den Fischer erfunden, der am Nachmittag schon in seinem Fischerboot döst. Die Geschichte firmiert unter verschiedenen Namen: Der kluge Fischer, der zufriedene Fischer. Auffällig ist: Der Fischers Frau kommt in der Geschichte gar nicht vor. Nur der Tourist, der keineswegs den Namen Ilsebill trägt, aber doch genug Ideen hat, den Umsatz des Fischers zu erhöhen. So, dass der Fischer sich mehrere Boote werde leisten können. Und das alles mit dem einen Ziel: Am Ende des Tages im Hafen sitzen zu können, zu dösen, den Sonnenuntergang zu betrachten. Und so weiter.