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Die Normalität der Coronatoten - oder: Lesen BILDet

Dass die Bild-Zeitung über Vieles exklusiv berichtet, ist bekannt. Auch ist bekannt, dass die Bild-Zeitung einen ganz besonderen Zugang zu Wahrheit und Wirklichkeit hat. Nicht ganz so verbreitet ist die Erkenntnis, dass das schon seine Richtigkeit hat. Denn manchmal ist halt doch die Erkenntnis von Wahrheit und Wirklichkeit dann am schönsten, wenn sie um ein bis zwei Schritte neben der Spur liegt. Will sagen: Manchmal liegt der Wert einer Geschichte darin, dass sie nicht wahr ist. Was wahrhaftig nicht dasselbe ist, als wenn sie unwahr wäre.

Doch wozu das Geplänkel? Natürlich ahnen Sie, dass es der Vorbereitung dient. Denn die wirkliche, reine und ganze Wahrheit ist: Manchmal trifft die Unmittelbarkeit von Sprache, Menschlichkeit und Wahrheit, mit der die Bild-Zeitung meint spielen zu dürfen, mitten in den großen Haufen, der mit einem großen Sch beginnt.

Leser ohne Bild+-Abo können allerdings nur die Überschrift lesen. Die reicht aber auch schon: „Nobelpreisträger über Pandemie“ lautet das, was früher Dachzeile genannt wurde. Sie steht (eigentlich) über der Überschrift und weist thematisch schon mal in die richtige Richtung. Und den hier gemeinten Nobelpreisträger weist sie ins sprachliche Unglück, denn die Haupt-Überschrift erweckt nun den Anschein, als ob sie den Nobelpreisträger zitiere. Denn sie ist in Anführungszeichen gesetzt:

„Die Menschen, die an Corona sterben, sind normal“

Ja. Das war’s schon. Wenn Sie ein Bild+-Abo haben, erfahren Sie hier vielleicht noch mehr:
https://www.bild.de/bild-plus/video/clip/news-inland/nobelpreistraeger-ueber-pandemie-die-menschen-die-an-corona-sterben-sind-normal-70891574-70895570,var=x,view=conversionToLogin.bild.html

Gehen wir mal davon aus, dass der Nobelpreisträger nicht über seine eigene Sprache gefallen ist. Sondern eher schon ist der, die oder das Schlagzeilenredakteur das Sprachunfallopfer. Richtiger (aber geschlechtlich nicht unkomplizierter): Die Schlagzeilenredakteure +innen sind gefallen.

Was wollten sie uns mit dieser Überschrift denn nun eigentlich sagen? Doch nicht nur lapidar, dass es ganz normale Menschen sind, die an Corona sterben. Selbst da erhöbe sich ja schon die Frage, wer und wie denn dann die anormalen Menschen sind. Nein, eine Überschrift will ja auf das Außergewöhnliche aufmerksam machen, nicht auf das Lapidare oder Alltägliche. Dann wäre die Normalität der Menschen, die an Corona sterben, eben diese Außergewöhnlichkeit. Das läuft letztendlich darauf hinaus, dass wir alle an Corona sterben müssen. Doch aus dem Mathe-Unterricht ist mir noch geläufig, dass Umkehrschlüsse nicht immer erlaubt sind. Der normale Mensch kann also an Corona sterben oder auch nicht. Aber was ist das denn nun schon wieder für eine Erkenntnis? Richtig. Gar keine. Also alles von vorn.

Vielleicht liegt die Erkenntnis in dieser Lehre: Man muss nicht anormal sein, um an Corona sterben zu müssen, können oder dürfen. Auch seltsam.

Warum also diese Aussage? Hatte jemand etwas anderes angenommen? Hatte jemand wirklich angenommen, dass nicht normal ist, wer an Corona stirbt? Immer noch auf der Suche nach dem Sinn, wechseln wir mal kurz zu den Verschwörungstheoretikern. Vielleicht arbeitet ja einer – oder auch mehrere - der Schlagzeilenredakteure m/w/d unterbewusst mit den falschen Voraussetzungen. Demnach wäre die un(ter)bewusste Annahme dann tatslächlich gewesen: Eigentlich sterben nur diejenigen, die nicht ganz normal sind, an Corona. Dieser Gedanke kann aber nur aus dem Bereich der Thesenwelt kommen, in dem Corona als absichtlicher Angriff auf die Menschheit gewertet werden soll. Und von hier aus ist alles ganz einfach: Der große Angreifer hat das Corona-Virus, so die Annahme, so programmiert, dass es die Menschen anormaler Art (hier sind die Variablen beliebig austauschbar) ins Grab befördert. Und jetzt – und dafür lohnt die laute Überschrift tatsächlich – jetzt kommt besagter Nobelpreisträger mit der großen und wahrhaftigen Erkenntnis daher: Nein, so ist es nicht. Es sind die ganz normalen Menschen, die an Corona sterben. Es sind du und ich.

Leuchtet schon eher ein, oder? Wenn ich die Überschrift noch ein bisschen weiter drehe, habe ich noch eine viel schönere Lesemöglichkeit parat. Die ist aber auch in falschen Umkehrschlüssen begründet. Dafür aber wirklich schön: So lange wir nicht normal sind, sind wir vielleicht weniger vom Corona-Tod bedroht, als wir fürchten.

Mit dieser (Un-)Wahrheit kann ich Sie nun liebevoll und gern aus diesem Artikel entlassen. Seien Sie zum Abschluss noch versichert: Ich habe kein Bild+-Abo – und weiß nicht, was der freundliche Nobelpreisträger uns hatte empfehlen wollen.

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