Von Roboter-Ärzten und Bild-Zeitungs-Träumen
„Erstes KI-Krankenhaus wird eröffnet“ – so steht es groß zu lesen in der Bild am 31.05.2024 (Links am Textende). „Robo-Docs sollen 3000 Menschen am Tag behandeln“, steht darüber geschrieben. Nun wissen wir also sofort, wo’s lang geht. Falls nicht, Autorin Jana Müller bringt Sie dann spätestens am Textanfang gleich auf den richtigen Weg: „Können Sie sich eine Sprechstunde mit einem Roboter vorstellen?“, fragt sie, bevor sie dann im ersten Satz China als Ort der Handlung nennt. Ihre Frage dürfen wir getrost als rhetorisch begreifen.
Klar, denken Sie nun, die Chinesen liegen mit der KI vorn, erst recht in der Medizin. Klar, denken Sie, die KI hat längst Einzug in die Krankenhäuser gehalten. Nicht nur in China, nicht nur in den USA, auch bei uns. So what?
Jana Müller schreibt für die Bild-Zeitung im Ressort „Leben & Gesellschaft“ und „Wissenschaft & Forschung“ hauptsächlich über Klima- und Umweltthemen, so die Auskunft zu ihrer Person. Jetzt aber schreibt sie, dass in dem KI-Krankenhaus in China 3000 Patienten täglich behandelt werden sollen. Möglich sind sogar bis zu 10000 Patienten innerhalb weniger Tage.
Das ist doch mal eine Größenordnung, oder? Schwierig wird es nun aber, wenn Sie wissen wollen, wo denn das Krankenhaus der Zukunft, das noch dieses Jahr eröffnet werden soll, gebaut wird. Aber ganz ohne Quellenangaben schreibt auch die Bild nicht, und die Redakteurin gibt Auskunft, der Leiter des Forschungsteams, Liu Yang, habe der „Global Times“ gesagt, dass das KI-Krankenhaus dem medizinischen Fachpersonal und der breiten Öffentlichkeit enorme Vorteile bringen werde.
Gut, dann also die Global Times. Der Artikel dort ist lang, ausführlich und das Zitat dort auch genauso zu finden. Wie eigentlich alles, was Jana Müller für die Bild exzerpiert hat. Aber ein wenig ungenau ist die Autorin trotzdem. Sie hat nämlich den eigentlichen Hauptsatz unterschlagen:
„The concept of an AI hospital town, where virtual patients are treated by AI doctors, holds immense significance for both medical professionals and the general public.“
So also ist das gemeint: virtuelle Patienten. Tja, wenn Jana Müller das mal gleich gesagt hätte. Dann wäre ihr Artikel durchaus weniger spektakulär gewesen.
Aber unredlich ist Jana Müller keineswegs. Am Ende des Artikels konstatiert sie nämlich:
„Auch Medizinstudenten können von dem Modell profitieren. Sie können KI-Patienten behandeln, ohne echten Menschen zu schaden.“
Soso. Bleibt jetzt noch die Frage, wie denn dieses „auch“ am Satzanfang zu werten ist. Doch das ist an dieser Stelle eigentlich auch schon irgendwie egal: Sie haben längst das Bild von einem Krankenhaus, in der ein Arzt-Roboter von Bett zu Bett eilt.
Nun ist das mit den Wahrheiten im Leben und in Medien immer auch eine diffizile Sache. Denn: nichts ist einfach und nichts wie es scheint. Auch die Global Times kommen nämlich mit einem „auch“ um die Ecke, um dann reale Patienten von virtuellen Ärzten diagnostizieren zu lassen, die übrigens niemals Roboter genannt werden.
Aber es bleibt ein grundlegender Unterschied, den die Global Times mit diesen Worten fasst:
"However, one thing is certain - AI can never replace humans."
Wenn Sie mehr wissen wollen, lesen Sie den Artikel in der Global Times. Und wenn Sie sich empören wollen, gönnen Sie sich den Vergleich mit der Bild.
Der Artikel in der Global Times ist vom 29.05.2024:
https://www.globaltimes.cn/page/202405/1313235.shtml
Die Bild nahm sich am 31.05.2024 dieser Vorlage an:
https://www.bild.de/leben-wissen/medizin/3000-patienten-am-tag-erstes-ki-krankenhaus-wird-eroeffnet-6659849bba131a43461d7d55
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