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Zweifelhafte Hilfsangebote: Vom Umgangston im Internet

„Ich helfe dir bei der Beantwortung deiner Fragen.“** Diesen Satz konnte ich einen ganz kurzen Mauswischmoment lang bei dem Paketdienstleister zwar nicht meiner Wahl, aber doch meines Schicksals lesen. Jetzt aber ist er, wer auch immer er sei, der mir seine Hilfe anbietet, wieder weg. Nahezu spurlos verschwunden. Fast unwiederholbar. Es sei denn, ich öffne die Website erneut. Übrig bleibt andernfalls unten rechts ein gelbes Fragezeichen, begleitet von drei Punkten. Die eben noch eher nur geahnte als wirklich gelesene rechteckige Aufploppblase, die mich, auch das kann ich hassen, unaufgefordert duzte, ist irgendetwas zwischen Erinnerung und Einbildung. Habe ich das wirklich gesehen und gelesen?

Tatsächlich lässt sich der Vorgang dann doch wiederholen, wenn man ganz von vorne anfängt. Nebenbei: Ich brauche keine Hilfe bei der Beantwortung meiner Fragen. Ich interessiere mich nur dafür, wer mir so großzügig diese Hilfe anbietet, die ich eigentlich für eine Voraussetzung und Selbstverständlichkeit gehalten hätte. Will sagen: Ein solch höfliches Angebot macht mich skeptisch. Sagt doch der Sprecher, dass ich mich im Grunde genommen eigentlich ganz allein um die Beantwortung meiner Fragen kümmern müsste. Muss ich aber nicht, denn er, wer auch immer er sei, er bietet mir ja seine großzügige Hilfe an.

Nun also will mir bei der Sendungsverfolgung des Paketdienstleisters, auf dessen Website ich mich herumtreibe, jemand helfen, der als Person nicht kenntlich ist, der nicht personifiziert ist und der nicht als Chatbot in Aktion tritt oder treten wird. Egal wie doof ich mich anstelle.

Falls Sie nicht wissen, was ein Chatbot ist: Ich wusste es auch nicht, habe aber extra die Fachleute befragt, damit ich Ihnen dieses Fachwort hier auftischen kann. Der Chatbot ist das Tool, das dafür zuständig ist, Ihnen auf einer Website einen (Hilfe-)Dialog anzubieten, wenn Sie zu lange regungslos vor einer Seite, einer Aufgabe oder einem Vorhaben sitzen. Also zum Beispiel, wenn Sie bei der Bank Ihrer Wahl mit der Überweisung offenbar nicht zu Potte kommen. Oder bei der Bausparkasse. Meist tritt der Chatbot in Erscheinung in Gestalt menschenähnlicher Silhouetten oder Mensch-Simulationen. Wenn Mensch-Simulation, dann natürlich gern auch jung.

Aber bei dem von mir nicht auserwählten Paketdienstleister ist der Chatbot wahrscheinlich kein echter Chatbot, auch wenn ich das Wort ganz toll finde. Tatsächlich ist er nur ein kleines einprogrammiertes Fenster, das aufspringt und mich weiterleitet, sollte es mir gelingen, vor seinem Verschwinden darauf zu klicken. Und dieses Fenster ist ausgesprochen wirklichkeitsnah programmiert: Denn wenn man mal wirklich im Leben jemanden braucht, ist ja auch meist keiner da.

Ich brauche zwar noch immer keine Hilfe bei der Beantwortung meiner Fragen, will aber nun unbedingt wissen, was dieser Nobody (oder sollen wir ihn No-Chatbot nennen?) zu tun bereit ist, sollte ich eine Frage haben. Die Antwort darauf: Ich werde auf eine andere Seite geleitet, nämlich die Seite mit den „häufigsten Fragen“.

Ich weiß, ich bin heute morgen mit dem falschen Bein zuerst aufgestanden, der Kaffee war auch nicht richtig heiß – und dann hat ihn mir auch noch jemand weggetrunken. Noch dazu mit meiner Erlaubnis, denn auch ich bin ja durch und durch höflich. Deswegen reagiere ich so schlechtgelaunt auch auf die Website dieses ungenannten Paketdienstleisters.

Also kein netter junger Mann, der mir innerhalb eines Chatbots Avancen macht oder machen wird. Nur das Angebot: „Ich helfe dir bei der Beantwortung deiner Fragen.“ Da danke ich doch abgrundtief und kopfschüttelnd: Schließlich muss ich meine Fragen gar nicht selbst beantworten, sondern darf erwarten, dass mein Gegenüber meine Fragen beantwortet. Sofern es, er oder sie in der Lage dazu ist. Deshalb brauche ich auch keine Hilfe bei der Beantwortung meiner Fragen, ich brauche eine Antwort auf meine Fragen. (Ehrlich gesagt: Ich habe immer noch keine wirklichen Fragen.) Manchmal reicht ja auch die Antwort selbst. Ohne Fenster, ohne Chat, ohne Bot und ohne Jack, ohne Pott und ohne Jackpot. Bislang wurde das im Internet in den FAQ geregelt. Die sind allerdings über die Jahre dergestalt ausgeufert, dass sie den Packungsbeilagen von Kopfschmerztabletten gleichen: Klein, unübersichtlich – und nur die Überschriften sind lesbar. Von denen gibt es aber meist zu viele. Wahrscheinlich weil wir dann doch deshalb alle lieber den Arzt oder den Apotheker fragen, vielleicht auch noch jemanden, der sich damit auskennt, gehören die FAQ schon fast auf die Rote Liste aussterbender Website-Formate. Sie wurden nämlich, noch nicht bei diesem Paketdienstleister, aber schon auf vielen Seiten im Rest der Welt, ersetzt durch den Chatbot. Die Assoziation zum Jackpot sei Ihnen ausdrücklich erlaubt, sie macht aber weder glücklich, noch hilft sie weiter. Auch nicht bei der Beantwortung meiner oder Ihrer Fragen.

Gut, ich bin also mit meinen Fragen letztendlich allein. Das ist auch nicht schlimm, im Gegenteil: Das einzige, was ich hier und jetzt wirklich wissen will, ist, wann denn nun mein Paket kommt, das gestern schon da sein sollte. Und wäre da nicht dieser verhinderte und hier zumindest dialogunfähige Chatbot, der auf ein Fenster reduziert ist, ungefragt und nach unbeabsichtigtem Mauswisch aufgeploppt, dann hätte ich mit einem Klick meine Frage tatsächlich ganz allein und ohne Hilfe beantworten können. Mein Paket kommt im Laufe des Tages.  

Falls Sie sich jetzt fragen, was ich Ihnen mit meinem Geplapper eigentlich sagen will, kann auch ich Ihnen höflich und hilfreich bei der Beantwortung Ihrer Frage zur Seite stehen: Was auf uns zukommt, ist die "Kommunikation im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit". Was Walter Benjamin dazu sagen würde, kriege ich über kurz oder lang auch noch raus. 

**Dann noch einen ganz persönlichen Nachtrag an nicht nur diesen Paketdienstleister:
Da wo wir offenbar schon beim Du sind, ohne dass ich eingewilligt habe: Wenn Sie mich auf Ihrer Website nicht siezen, sondern duzen, dann hätte ich bitte gern das alte, antiquierte großgeschriebene Du, Dich, Deiner, Dir der Briefanrede. Der Duden billigt das Anrede-Du nämlich immer noch, trotz aller Fortschritte.

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