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Von "Morbus Mohl" zur "Cyberchondrie"

Es ist schon eine ganze Weile her. Wir, zwei junge Journalistinnen in Ausbildung und nach irgendwo aufwärts strebend, saßen erschöpft beim Kaffee und referierten uns gegenseitig unsere Symptome. Wir wussten, dass es der Stress ist, der uns dann und wann zittern oder frieren ließ. Überarbeitung, Anspannung. Aber das Internet war neu, tief und abgründig – und wir haben, nur zum Spaß, unsere Symptome gegoogelt. Das Ergebnis war ganz eindeutig: Wir hatten Tollwut. Alle beide.

Glücklicherweise hatten wir auch noch einen Rest von Verstand. Und waren amüsiert. Tollwut. Wunderbar. Den Artikel über das Thema Tollwut beim Menschen haben wir uns dann, verständlicherweise, geschenkt.

Nun sind die Hinter-, Ab- und Vordergründe im Internet nicht nur gewachsen. Sie haben an Tiefe und Inhalt gewonnen – und an Perspektive. Die Information über alles und jedes ist für viele nicht nur Lebensinhalt, sondern zugleich Lebensunterhalt.

Und ganz sicher würden heute, wenn ich all die Symptome von damals googeln würde, ganz andere Ergebnisse herauskommen als damals. Der Blickwinkel hat sich nämlich auch verändert. Nicht Tollwut hätte ich. Sondern entweder einen Burnout, eine Phobie oder irgendeine psychische Störung. Die Psyche – vor allem die kranke Psyche – ist der Dreh- und Angelpunkt, über den medial gerne kommuniziert wird. Das liegt an Vielem: An der Zunahme psychischer Erkrankungen, an den Veränderungen in der Gesellschaft – und vor allem aber: Über die Psyche kann jeder mitreden. Über die Tollwut eher nicht.

Und deswegen gibt es jetzt für das Verhalten, das uns zwei jungen Frauen fast an unsere Tollwuterkrankung hätte glauben lassen, einen neuen Namen. Cyberchondrie heißt die Krankheit, die vom Hypochonder abgeleitet ist. Oder Morbus Google. Und ja: Das Ganze ist pathologisch – und auch der „eingebildete Kranke“ war immer schon krank. Wenngleich ganz anders als in seiner Wahrnehmung.

Mit der Cyberchondrie hat sich der SWR auseinandergesetzt. Ein kurzer Text und ein Audio von 28 Minuten. Wer will, kann das Manuskript des Audios auch lesen. 27.08.2024:
https://www.swr.de/swrkultur/wissen/selbstdiagnose-und-cyberchondrie-wenn-informationen-krank-machen-106.html

Das ZDF hat das Thema am 20.04.2024 aufgenommen – unter dem Aspekt: Risiko Selbstdiagnose:
https://www.zdf.de/nachrichten/ratgeber/gesundheit/diagnose-social-media-gesundheit-100.html

Die Badische Zeitung fragte – hinter Bezahlschranke – am 25.02.2024 danach, ob die Möglichkeiten der Selbstdiagnose über Social Media Fluch oder Segen sind:
https://www.badische-zeitung.de/fluch-oder-segen-selbstdiagnose-via-social-media

Über Cyberchondrie informiert Wikipedia kurz:
https://de.wikipedia.org/wiki/Cyberchondrie#

Und wenn Sie sich durch den kurzen Text von Wikipedia gearbeitet haben – inklusive der Verlinkungen – wird Ihnen klar: Alles schon mal dagewesen: „Morbus Mohl“. Damals, zwischen 1964 und 2004, leitete Hans Mohl das „Gesundheitsmagazin Praxis“ im ZDF. Nach Ausstrahlung der Sendungen konnten die Ärzte am folgenden Tag mit Patienten rechnen, die genau die Symptome an sich bemerkt hatten, die in der Sendung benannt worden waren:
https://de.wikipedia.org/wiki/Morbus_Mohl

Der SWR nimmt den Bundesklinikatlas in den Blick
Die ePA und der "Informationsbedarf"

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