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Es klappert die Mühle am Lauterbach und Wagenknecht gibt lauter Acht

Da hatte doch jemand eine geniale Idee! Der Lauterbach und die Wagenknecht. Ein schöneres Bildschirmpärchen ist kaum denkbar. Zumindest nicht, wenn wir pandemisch denken wollen. Mit der Assoziation von „Die Schöne und das Biest“ tun wir vielleicht dem Herrn Lauterbach unrecht. Man kann ihm eine Menge vorwerfen, biestig ist er ja gar nicht. Und mangelnde Schönheit – da ist er nicht der einzige Mann und Politiker. Wie wär’s stattdessen mit: „Herr Sonderling und Frau Sonderbar“? Dieses Bild passt doch schon besser.

Aber das ist ja nur die bildliche Assoziation, die in unser aller Unterbewusstsein präsent ist, aber nicht unbedingt öffentlich ausgesprochen wird. Es sei denn unsere Berufung ist kabarettistischer oder karikaturistischer Natur. Als Fernsehdurchschnittszuschauer hingegen haben wir das Klagelied über Lauterbach längst wieder eingestellt. Und Frau Wagenknecht kriegen wir im Durchschnitt eher selten präsentiert. Für die meisten ist das kein Grund zur Klage.

Weg vom Unterbewusstsein, hin zur Politik: Auf dieser Ebene macht sich dieses Pärchen auch optisch ausnehmend gut aus. Messerscharfer Intellekt tritt hier, auch noch in weiblicher Form, gegen die Routine und die Standards der Wissenschaft an, die uns allen eingeübt worden sind und deren hervorragender Vertreter Herr Lauterbach ist. Optisch eher zurückhaltend. Zumindest solange die Fliege im Schrank bleibt. Lauterbach spricht uns aus dem Verstand. Sozusagen. Oder er spricht mit unserem Verstand. Die einen von uns hören diese Stimme gern, die andere können sie längst nicht mehr hören. Aber die Wagenknecht, deren Züge unverkennbar verknüpft sind mit ihrer historischen Wahlverwandtschaft, sie spricht uns aus der Seele – mit einer Stimme, die wir nicht hören dürfen und/oder wollen. Aus vielen Gründen, nicht zuletzt aus politischen.

Aber ist es nicht doch empörend, wenn eine messerscharfe Denkerin im rosafarbenen Gewand, immer noch auf den Pfaden der Rosa Luxemburg wandelnd, nicht nur das Fernsehpublikum, nein jetzt schon die ganze Republik aufwiegelt: Impfen doch kein Akt der Solidarität?

Da hatte jemand eine wirklich geniale Idee, als er oder sie die Sparring-Partner für diese Talkrunde bei Anne Will vorschlug. Nun hat die Linke, was sie lange suchte: Argumente gegen Wagenknecht, die ungeliebte und selbsternannte Erbin eigener Vergangenheit. Die Medien haben, was sie nur schwer noch selbst erzeugen können: Neue Aufmerksamkeit im coronaren Diskurs. Herr Lauterbach erhielt zurück, was keiner mehr bereit war ihm zu zollen: Bewunderung für seine Sachlichkeit und seine Ruhe. Ein Prediger vor dem Herrn, der zwar des Sich-Ereiferns immer noch nicht müde, auch tatsächlich verärgert, dennoch die Gelassenheit als Äußerungsform wählt. Freiwillig und nahezu diszipliniert.

Wunderbar. Eigentlich ein Bild, das man malen müsste. Ich kann mich nur noch nicht entscheiden, ob das prunke Barock oder reduzierter Neoklassizismus der richtige Stil wäre. Da ich aber nicht im Mindesten Talent habe, brauchen wir das Bild auch nicht zuende malen. Nur: Ist es Ihnen aufgefallen, wie wunderbar, rein farblich gesehen, der Pullover des Herrn Lauterbach, den er unter dem Konfirmationsanzug (ich weiß, er ist ausgetretener Katholik) trug, zu dem schlichten, aber deutlich rosafarbenem Kleid der Sahra Wagenknecht passte? Nein, diese Brücke ist gewiss nur Zufall, und es gehört sich auch nicht, Politisches auf die Kleiderfrage herunterzubrechen.

Aber es geht auch nicht nur ums Kleid. Es geht ums Gegenüber und ums Miteinander. Erst im Miteinander dieses wunderbaren Pärchens gewinnt das Gegenüber an Kontur und Farbe. Prächtig, was sich die Macher der Sendung da ausgedacht haben.

Prächtig auch der Befreiungsschlag für die Ungeimpften.

Nein, frei sind sie danach immer noch nicht. Aber sie haben nun etwas mehr Bewegungsfreiheit. Denn: Wir alle kennen doch irgendeine Sahra Wagenknecht, eine Tante Auguste, einen Onkel Heiner oder einen Nils, eine Lea oder eine Julia, die sich noch nicht haben impfen lassen. Bislang durften wir sie, selbst ungeschoren, alle über einen Kamm scheren: Alles Querdenker. Alles Facebook, alles Youtube. Alles Fake News.

Nun aber müssen wir differenzierter hingucken, denn offenbar gibt es auch unter den messerscharfen Denkern Menschen, die keine Impfgegner sind, doch mit Bedacht noch nicht geimpft. Ob damit die Solidarität im Eimer ist, muss erst noch ausdiskutiert werden. Die mediale Republik hat ja schon damit angefangen.

Und wo wir schon beim differenzierten Betrachten sind: Meine ungeimpfte Tante Auguste ist ein großer Fan von Karl Lauterbach. Allerdings zahlt sie für diese Bewunderung einen hohen Preis: Sie lebt nun sehr asketisch. Man könnte auch sagen: ausgesprochen zurückgezogen. Denn sie fühlt sich verfolgt. Kein Geimpfter möchte sich ihr noch nähern. Meint sie. Und schließt sich in ihrer kleinen Wohnung ein. Der Bekenntnis-Impfgegner aus der Nachbarschaft hingegen tritt ganz anders auf: Er ist und bleibt ungeimpft – und beansprucht den Raum vor der Theke des Bäckers für sich ganz allein. Die anderen Kunden, so meint er, müssen draußen bleiben, wenn er für sich und seinen kleinen Sohn die Frühstücksbrötchen holt. Wegen der Ansteckungsgefahr.

Wenn Sie sich selbst über Sahra Wagenknechts und Karl Lauterbachs Auftritt bei Anne Will informieren wollen, – und ja, es gab noch mehr Diskussionspartner in der Talkrunde, und ja, sie kamen auch zu Wort – , hier die ganze Talkshow vom 31.10.2021:
 https://daserste.ndr.de/annewill/videos/Steigende-Neuinfektionen-Sorge-wegen-Impfskepsis-,annewill7192.html

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