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t-online, der Mythos und die Zoonose - (Neue Studie zum Ursprung von Corona)

Eine neue Studie besagt, dass der Ursprung des Corona-Virus auf dem Wildtiermarkt in Wuhan liegt. T-online berichtet, dass die Ergebnisse dieser Studie amerikanischer und französischer Forscher darauf hindeuten, dass der Beginn der Pandemie zoonotisch war. Nun stehen also Schleichkatzen, Amurigel, Bambusratten und Marderhunde wieder unter Verdacht. (Alle Links am Ende des Textes.)

So weit, so gut. Überrascht sein wird niemand wirklich – denn alle Möglichkeiten der Herkunft des Coronavirus haben wir jahrelang aus- und durchdiskutiert. Die Ausgangssperre war ja, ganz nebenbei, so etwas wie ein coronares Bildungsprogramm.

Aber in Wirklichkeit und im Rückblick: alles Mythen. Autorin Christiane Braunsdorf weist gleich zu Anfang ihres Textes daraufhin: „Um die Herkunft des Coronavirus ranken sich zahlreiche Mythen. Immer wieder kam die These auf, ein Laborunfall könne die Pandemie ausgelöst haben.“

Schön gesagt. Ja, diese These kam immer wieder auf. Gerne übrigens auch bei t-online, wo genauso gern über das Leben und Sterben der Fledermäuse und Marderhunde auf dem Markt von Wuhan geschrieben und spekuliert wurde. Von Zeit zu Zeit lasen wir dort aber auch gesammelte neue Indizien für den Laborunfall, deren Informationsgehalt durchaus fraglich war. Nils Kögler zum Beispiel berichtete am 14.01.2022 über führende Forscher, die sich sicher waren, dass es kein plausibles Szenario gibt, dass eine natürliche Entstehung des Virus wahrscheinlich mache.

Gut: Wirklich wissen konnte niemand gar nichts. Zwischen geheimen und gemeinen und allgemeinen und ungemeinen Informationen gab es selten sichere Erkenntnisse.

Nun ist aber wohl trotzdem sicher: Das Wort vom Mythos ist hier zu Beginn dieses sachlichen Textes eher unangebracht. Sowohl für die These vom Ursprung des Coronavirus im Labor, als auch für die Übertragung des Virus durch die Fledermaus. Oder?

Der Duden ordnet den Begriff Mythos zuerst einmal in die Bildungssprache. Das passt – niemals ging es um etwas anderes als unsere Bildung. Was nicht passt, sind die Worterklärungen des Dudens.

  1. Überlieferung, überlieferte Dichtung, Sage, Erzählung o. Ä. aus der Vorzeit eines Volkes (die sich besonders mit Göttern, Dämonen, Entstehung der Welt, Erschaffung der Menschen befasst)
  2. Person, Sache, Begebenheit, die (aus meist verschwommenen, irrationalen Vorstellungen heraus) glorifiziert wird, legendären Charakter hat

Weder kommen Labor- oder Fledermaustheorie aus der Vorzeit, noch befassen sie sich mit der Erschaffung des Menschen. Allenfalls gab es vor langer Zeit, nicht Vorzeit, bereits ähnliche Erklärungsansätze. Die Ratte, deren Flöhe die Pest übertrugen, ist schließlich bis heute überliefert. Mythos ist sie nicht.

Und eine Glorifizierung, von der in der zweiten Bedeutungserklärung des Dudens die Rede ist, hat zweifelsohne nicht stattgefunden.

(Die verschwommenen, irrationalen Vorstellungen könnten wir aber gut für weitere Erklärungsansätze nutzen.)

Aber ja, die Goldwaage, auf der ich den Mythos, den die Autorin ins Gespräch gebracht hat, zu wiegen versuche, ist an dieser Stelle eher lächerlich. Christiane Braunsdorf tut nichts anderes, als das was eine Journalistin kann und soll: Sie übersetzt uns die Ergebnisse einer Studie verständlich in die Nachrichtenform. Und es gibt auch keinerlei Zweifel daran, dass sie diese Nachricht richtig wiedergibt.

Und doch gibt es Zweifel: Das Wort vom Mythos ist als Einleitung für den Text eher unangebracht. Denn einige (andere) Autoren bei t-online waren gern und maßgeblich an der Bildung dieser oder jener Mythen beteiligt. Bei t-online stand sozusagen einer der bedeutendsten Kochtöpfe moderner Coronamythen.

Und das ist es, was Christiane Braunsdorf in ihrer Einleitung nicht wirklich verbergen kann. Denn von alleine ranken diese Mythen nicht. Und auch Thesen, die immer wieder aufkommen, brauchen Autoren, die sie immer wieder verbreiten.

Zum Schluss sei noch verwiesen auf den Transparenzhinweis, den t-online unter seine Gesundheitsartikel setzt: „Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.“ Es ist vollkommen unklar, wie Sie die Information, dass das Coronavirus höchstwahrscheinlich nicht aus dem Labor kommt, selbsttherapeutisch anwenden können sollten. Vielleicht in Form einer Bildungstherapie? Wenn Sie sich immer wieder vorsagen: Fledermaus, Marderhund, Fledermaus, Marderhund ... Nein: Spätestens jetzt sollten Sie doch zum Arzt gehen.

Was aber die Transparenzhinweise betrifft: Das macht man heute so. Man schreibt zum Beispiel unter seinen Text, dass die KI mitgeschrieben hat, wenn sie mitgeschrieben hat. Das hat sie hier nicht. Im Gesundheitsjournalismus werden unter Transparenzhinweisen Informationen darüber erwartet, inwieweit die Pharma-Industrie oder andere Beteiligte des Gesundheitswesens  oder -marktes an dem betreffenden Artikel heimlich oder unheimlich mitgeschrieben haben. Das steht hier nicht. Da aber die Quellen zum Text benannt sind, ist die Transparenz eigentlich in den Quellen längst sichtbar gemacht. Aber wie gesagt: Transparenzhinweise sind eine Zierde des modernen Journalismus.

Hier der Link zum Text von Christiane Braunsdorf, t-online, 20.09.2024:
https://www.t-online.de/gesundheit/aktuelles/id_100493726/corona-ursprung-hier-war-der-ursprung-von-covid-19.html

Am Ende dieses Textes verweist die Autorin auf ihre Quellen, darunter auch das Summary der Studie, ein Text in der Ärzte-Zeitung und ein Text bei scinexx.

Hier der oben erwähnte Text von Nils Kögler, t-online 14.01.2022:
https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_91476020/corona-ursprung-im-labor-e-mails-verraten-forscher-hielten-das-fuer-moeglich.html

Hier der Duden zum Mythos:
https://www.duden.de/rechtschreibung/Mythos

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