Studie zur Beatmung im Krankenhaus - ein Kommentar
Eine Studie, die Forscher rund um einen Intensivmediziner der Lungenklinik in Köln-Merheim veröffentlicht haben, macht gerade medial die Runde (Links folgen unten). Ausgezählt wird in der Studie im Ländervergleich, wie viele alte und sehr alte Patienten in Krankenhäusern mechanisch beatmet werden. Das Ergebnis: Deutschland und die USA liegen da ganz weit vorn. Genau gesagt: Jeder zehnte Deutsche stirbt am Beatmungsgerät.
Nun ist eine solche Studie an sich ja eher eine Zusammenstellung und ein Vergleich von statistischem Material. Und tatsächlich kommt diese auch Studie zum Ergebnis, dass die Unterschiede zwischen den Ländern eklatant sind. Aber: Diese Studie fällt eben auch mitten in die Krankenhausreform, und die Berichte in den Medien über diese Studie weisen darauf hin, dass in Deutschland viele bis sehr viele alte Menschen nicht mehr friedlich zuhause sterben (können) und dass die Beatmung den Kliniken viel Geld bringt. Der Kausalzusammenhang wird nahegelegt – und nur manchmal relativiert: Möglicherweise, so ein anderer Begründungsversuch, der nicht in Geldgeschäften landen will, leiden in Deutschland ja auch mehr Menschen unter den Folgen des Rauchens.
Aber ja: Es wird stimmen, die Beatmung von Menschen bringt den Krankenhäusern Geld (übrigens vor, während und nach Corona mit kaum geänderter Patientenanzahl). Und ja: Es ist schlimm, dass das Sterben an Würde und vor allem an der Vertrautheit des Zuhauses verliert. Die Beatmungsmaschinen tragen daran aber wohl kaum die Schuld. Mit Sicherheit wird kein Sterbender ursächlich den Beatmungsgeräten und den Krankenhäusern überlassen, um den Kliniken Geld zu verschaffen. Und mit Sicherheit liegt das Problem des Sterbens am Beatmungsgerät ganz woanders: Wir können den Tod nicht zulassen. Auch weil in den Familien weder Platz, Zeit, noch Möglichkeit vorhanden sind, die Eltern, Großeltern, Urgroßeltern – oder die Unverheirateten, die Witwer und die Singles zuhause im Sterben zu begleiten. Die Krankenhausstruktur ersetzt ja das, was gar nicht mehr vorhanden ist: die Familie, die Zeit hätte, den Sterbenden über Tage des Sterbens hinweg zu begleiten. Die schlimmste Wahrheit ist bestimmt: Da ist keine Zeit mehr und kein Raum für den Tod - außer im Krankenhaus.
Ja, es ist richtig, dass es nicht richtig ist, das Sterben ans Beatmungsgerät zu legen. Aber es ist auch richtig, dass es höchst seltsam ist, wie unisono gerade jetzt die Presse gerade dieses Lied singt, wo die Krankenhausreform des Bundesgesundheitsministers dringend selbst eines Beatmungsgerätes bedürfte.
FAZ, 14.06.2024:
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/studie-jeder-zehnte-in-deutschland-stirbt-beatmet-im-krankenhaus-19788047.html
t-online (dpa), 14.06.2024:
https://www.t-online.de/gesundheit/aktuelles/id_100427100/studie-mit-erschreckenden-zahlen-so-viele-sterben-in-deutschland-beatmet-im-krankenhaus.html
Badische Zeitung, 13.06.2024:
https://www.badische-zeitung.de/studie-jeder-zehnte-deutsche-stirbt-beatmet-im-krankenhaus
Kölner Stadt-Anzeiger, 13.06.2024:
https://www.ksta.de/ratgeber/gesundheit/studie-wirft-fragen-auf-jeder-zehnte-deutsche-stirbt-beatmet-im-krankenhaus-810404
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