Staatsmedizin oder Vorsorge? "Gesundes-Herz-Gesetz" stößt auf
Mehr Früherkennungsprogramme, bessere Therapien, strukturiertere Behandlungsprogramme: Das Herz-Gesundheits-Gesetz, das Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf den Weg gebracht hat und das das Bundeskabinett am 28. August beschlossen hat, hat sich viel vorgenommen. Deutschland habe zu viele Herztote, lautet die Begründung. Die Krankenkassen hingegen würden das Gesetz lieber einstampfen: zu hohe Kosten generieren vor allem höhere Krankenkassenbeiträge, so eines ihrer Argumente.
Das ganze Szenario läuft auf der Schiene: Wie viel Vor- und Fürsorge kann, soll oder muss der Staat leisten – und ab wann wird aus der Vorsorge Bevormundung oder gar Entmündigung. Noch ist im Gesetz nichts als Vorschrift gesetzt. Noch also sind wir weit entfernt von der Bevormundung. Oder sind wir doch schon am Anfang einer Zeitenwende? Die AOK zumindest spricht schon von „Staatsmedizin mit fragwürdiger Evidenz“ (Link unten).
Das Gesetz selbst ist vielleicht sogar unangreifbar. Aber es passt in diese Zeit, in die Lehre von der zu erstrebenden Gesundheit apologetisch betrieben wird. Von der gesamten Gesellschaft: Verpönt die Fleischeslust, sofern sie sich auf das Essen bezieht. Verachtet der Konsument, der sich des Zuckers nicht enthält. Zigarettenrauch ist längst aus den Gaststätten verbannt – und ich bin gespannt, wann die Wirte nur noch alkoholfreies Bier verzapfen dürfen.
Das Dilemma: Wir halten uns ja alle gerne an Regeln. Die machen das Leben irgendwie einfacher und strukturierter. Aber die Regel wächst sich aus zur Lehre, und im unglücklichsten Fall müssen wir diese mit zwei ee schreiben. Und ohne h.
Zurück zum Lauterbachschen Gesetz: Der Text enthält Möglichkeiten und Empfehlungen. Handlungsanweisungen enthält er selbstverständlich nicht. Das ist für ein Gesetz sehr klug, denn Dinge und Bedingungen ändern sich. Aber: Schauen Sie rein in das Gesetz und überlegen sich, wer jetzt welche Handlungsanweisungen wie durchsetzen soll. Und die alte Frage: Wer soll das bezahlen?
Vielleicht ist ja eine zweite, nicht unwichtige und nicht benannte Aufgabe des Gesetzes eine ganz andere. Mit viel Fantasie könnten wir uns ja unsere eigenen Verschwörungstheorien zusammenzimmern. Vielleicht ist das Gesetz ein groß angelegtes Beschäftigungsprogramm, das die Verantwortlichen im Gesundheitswesen und ihre Kräfte auf Jahre hinaus binden soll. Vielleicht ist das Gesetz aber auch ein riesiges bundesweites Screening zu Forschungszwecken. Vielleicht sollen die Krankenkassen ausgebremst oder gelähmt werden – warum auch immer. Denn dass dieses Gesetz den Krankenkassen die Möglichkeiten eigenen Handelns einschränkt, wer will das bezweifeln?
Links:
Das Bundesgesundheitsministerium informiert hier über das Gesetz:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/bundeskabinett-beschliesst-gesundes-herz-gesetz-pm-28-08-2024
Die AOK bezieht auf ihrer Website Stellung:
https://www.aok.de/pp/gesetz/ghg/
Die Tagesschau berichtet am 28.08.2024 auch über die Kritik der Krankenkassen:
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bundeskabinett-gesetz-herzerkranungen-100.html
Einen guten nachrichtlichen Überblick über die Inhalte des Gesetzes erhalten Sie auch beim Focus, 28.08.2024:
https://www.focus.de/gesundheit/news/im-bundeskabinett-beschlossen-lauterbachs-gesundes-herz-gesetz-was-sie-hierzu-wissen-muessen_id_260261975.html
Auch die Pharmazeutische Zeitung berichtet umfassend, 28.08.2024:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/bundeskabinett-beschliesst-gesundes-herz-gesetz-149604/
Der BR mit Fernsehbeitrag (1:43 min) und Text:
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/kabinett-beschliesst-gesundes-herz-gesetz-das-bringt-die-novelle,UMklQMd
Der Spiegel setzt die Kritik der AOK gleich in die Überschrift, 28.08.2024:
https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/karl-lauterbach-spd-und-das-gesundes-herz-gesetz-am-besten-komplett-einstampfen-sagen-die-krankenkassen-a-40d677b0-6fd3-4977-b5ca-a0da54321a76
Die Thüringer Allgemeine fasst die Lage hier zusammen, 29.08.2024:
https://www.thueringer-allgemeine.de/politik/article407127399/streit-um-herzgesetz.html
Die ZEIT hat ein Interview mit einer Ärztin geführt, das aber erst hinter der Bezahlschranke zu lesen ist. 28.08.2024:
https://www.zeit.de/2024/37/herzgesundheit-medizin-cholesterin-kinder-jugendliche
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