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Fragliches zum Frauengesundheitstag

Es gibt ja Fragen, da bin ich mir ganz sicher, die würden die meisten von uns sich nicht zu stellen trauen. Eine dieser Fragen stellt nun die Mittelbayrische. Sie hat dafür auch einen Anlass. Und das ist der 28. Mai. Sagt Ihnen nichts? Der 28. Mai ist der Frauengesundheitstag. Sagt die Mittelbayrische am 28.05.2022:
https://www.mittelbayerische.de/region/regensburg-stadt-nachrichten/welche-faktoren-beeinflussen-die-weibliche-gesundheit-21179-art2222582.html

Wikipedia sagt zum Thema Frauengesundheitstag offenbar noch nichts. Es gibt zumindest keinen eigenen Eintrag. Seltsam. Denn sowohl Frauen als auch ihre Tage sind doch gerade immer gerne Thema. Einer dieser Tage der Frauen, so viel ist gesichert, ist dann wohl der Frauengesundheitstag – und das Internet gibt immerhin einige Veranstaltungstermine aus der Vergangenheit preis, so dass ich mit Sicherheit behaupten kann: Es gab ihn schon 2018. Vielleicht sogar früher. Den Frauengesundheitstag.

Nun zu der Frage, von der ich mir ganz sicher bin, dass die wenigsten von uns sie so stellen würden, wie sich die Mittelbayrische das getraut hat: „Welche Faktoren beeinflussen die weibliche Gesundheit?“ So die Frage am 28. Mai. Nun, als Germanistin kann ich da die Antwort wohl geben. Es ist die Endung -heit, die im Deutschen dazu führt, dass ein Wort weiblich ist. Niemand würde der Gesundheit im Nominativ den Artikel „der“ verleihen. Und worin der Faktor besteht, der den Gebrauch der – sprachlich selbstverständlich immer weiblichen – Gesundheit am meisten gefördert hat, hätten Sie wahrscheinlich genauso wenig erwartet, wie die Mittelbayrische. Wenn wir dem Grimmschen Wörterbuch glauben schenken dürfen, ist das Wort Gesundheit sprachlich gesehen zwar wohl schon älter, aber es ist Martin Luther, der es in Umlauf und Sprachgebrauch gebracht hat.
https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB#4

Nun muss man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Was die Mittelbayrische in Wirklichkeit wissen will, ist: Welche Faktoren beeinflussen die Gesundheit der Frauen? Hierauf fällt die Antwort leicht. Auch wenn es wie Haarspalterei aussieht: Es sind dieselben Faktoren, die die Gesundheit der Männer beeinflussen. Daran zweifeln auch mit Sicherheit nicht diejenigen Männer und Frauen, die sich bemühen, die Unterschiede herauszuarbeiten, die es zwischen Männern und Frauen gibt bei Krankheitsbildern, Krankheitsausmaßen, Krankheitsursachen, Medikamentationen. Zweifelsohne: Männer und Frauen sind nicht gleich. Nie gewesen. Auch nicht in der Gesundheit. Schon gar nicht in der Medizin. Doch offenbar sind sie, so meinen viele, viel zu lang gleich behandelt worden. Zumindest, wenn sie die gleiche Erkrankung hatten. Ein Herzinfarkt bei Frauen, das ist das Standardbeispiel, kündigt sich eben ganz anders an als ein Herzinfarkt bei Männern.

Aber obwohl dieses Thema am Tag der Frauengesundheit naheläge: Das ist es nicht, worüber die Mittelbayrische mit uns reden möchte. Sie möchte Tipps geben für die Themen „Wechseljahre, Zyklus und Gebärmutterhalskrebs“.

Und sehen Sie: Hier können wir jetzt einen ganz fürchterlichen Zirkelschluss nahelegen: Es geht der Mittelbayrischen am Frauengesundheitstag tatsächlich um die Tage der Frau.

Ich will nicht behaupten, dass zur Menstruation schon alles gesagt wurde, was zu sagen ist. Aber ich bin mir sicher: Die meisten Frauen wissen über ihre Tage Bescheid. Sie wissen, was zu tun ist und sie wissen, was hilft. Auch die Informationen über Gebärmutterhalskrebs liegen nicht nur beim Frauenarzt vor. Und die Wechseljahre sind im Regelfall, auch wenn nicht nur der Frauenarzt sie behandelt, weder ein Gesundheitsproblem noch ein Krankheitsfall. Sie sind ein Wechsel – der die ganze Person betrifft und nicht nur ihren Frauenarzt.

Worauf ich hinaus will: So gut gemeint der Artikel der Mittelbayrischen ist – er informiert sachlich über die Symptome der Periode, der Wechseljahre, er informiert über Hormonstände und Hormonspiegel: Der Autor hat das Thema „Frauengesundheit“ grundsätzlich missverstanden. Böse gesagt: Der Autor reduziert die Frau irgendwie wieder auf die Gebärfunktion. Bestimmt unbewusst. Und noch böser gesagt: Der Autor ist eine Frau.

Nun kann ich aber auch gleichzeitig die Frau, die Autorin dieses Artikels ist, ein wenig in Schutz nehmen: Es scheint niemand zu wissen, was der Frauengesundheitstag denn genau leisten soll. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) führt diesen Tag wohl in der Liste der Gesundheitstage,
https://infodienst.bzga.de/gesundheitserziehung-gesundheitsfoerderung/nationale-internationale-gesundheitstage/
aber die Liste ist nichts weiter als eine Terminliste. Wer mehr wissen will, wird an das „Frauengesundheitsportal“ verwiesen. Doch Weh und Ach: Das Suchprogramm dieser Seite findet keinen Eintrag mit dem Suchwort „Frauengesundheitstag“. Und die Titelseite des Frauengesundheitsportals, auf das ganz oben das Logo des BzGA prangt, stellt gutartige Gebärmutterhalserkankungen, Endometriose und chronische Unterleibsschmerzen in den Vordergrund. Parallel dazu dann auch noch das Thema Ernährung.

Und nun: Feministinnen aller Länder vereinigt Euch! Nicht nur die Mittelbayrische, auch das Bundesgesundheitsamt möchte uns offenbar gerne wieder reduzieren. Auf den Faktor Frau.

Am Ende aber, wenn Sie das Frauengesundheitsportal ein wenig durchklickt und durchstöbert haben, finden Sie die Frage nach dem Unterschied zwischen Männern und Frauen bezüglich ihrer Gesundheit korrekt formuliert  (Wobei ehrlich gesagt: Es sind doch immer wieder die Krankheiten gemeint, wenn von Gesundheit die Rede ist): „Erkranken Frauen und Männer unterschiedlich?“ lautet ein Themeneintrag. Und auch wenn wir alle aus Erfahrung diese Frage mit Ja beantworten können: Hier geht der Weg doch eigentlich lang. Erst recht am Tag der Frauengesundheit.
https://www.frauengesundheitsportal.de/themen/krankheitsspektrum/

Zurück zu Luther: Die Frauengesundheit war wohl eher nicht sein Thema. Über die Frau, im Allgemeinen wie im Besonderen, hat er sich aber gerne ausgelassen. Und zwar solcherart, dass Sie im Internet reichlich Seiten mit Zitaten finden, die die Frau auf ihr geschlechtliches Wesen reduzieren. Und auch die Gesundheit (der Männer) hatte Luther dabei wohl im Blick:

„Darumb hat das Meidlein ihr Punzlein, dass es dem Mann ein Heilmittel bringe.“

Was das Punzlein ist – darüber schweigt nicht nur das Grimmsche Wörterbuch. Und es ist nicht einmal so erstaunlich, dass man - nein, frau - sich das Wort sehr schnell erschließen kann. Auch zur Quelle des Zitats schweigen die meisten Publikationen. Genauso, wie sie verschweigen, dass das Zitat die Quelle bereits übersetzt hat. Der Diakon Lauterbach zitiert Luther hingegen noch in einem wohlweisen Gemisch aus Deutsch und Latein.

Anton Lauterbach (Diaconi zu Wittenberg), Tagebuch auf das Jahr 1538, in: Seidemann, Johann Karl, 1872, S. 101)

Sie finden das Zitat im Original hier – in den Digitalen Sammlungen: 
https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10980531?page=224,225&q=punzlein

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Der Lateiner merkt es gleich: Der oft zitierte Satz hat noch ein unzitiertes Ende. Nicht nur, dass das Meidlein mit ihrem Punzlein jenem (illi), also dem Mann, ein Heilmittel bringe. Nein, das Ganze hat auch noch einen Zweck: Es sollen keine Samenergüsse und keine Ehebrüche entstehen. Nun bleibt dann wohl nur noch die Frage zu klären, warum es für Luther kein Ehebruch ist, wenn der Ehemann sich dem Punzlein des Meidleins widmet. Die Frage nach der Gesundheit des Mannes scheint ja hier geklärt zu sein.

 

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