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Astrazeneca und die Medienmacher - Irgendwas bleibt immer hängen

Einen ganz, ganz schlechten Start hatte in Deutschland der Impfstoff von Astrazeneca. So schlecht, dass jetzt scheinbar allerorten massenweise Impfdosen übrigbleiben. Was dazu führt, dass jetzt schon als gute Nachricht berichtet wird, dass der Impfstoff von Astrazeneca, im Gegensatz zum Biontech-Impfstoff, sechs Tage lang haltbar ist. Und es führt ebenso dazu, dass allerorten berufene und nicht berufene Menschen und Politiker überlegen, wie wann und warum welche Impfkandidaten vorgezogen werden können, damit Astrazeneca-Impfdosen eben nicht länger als sechs Tage liegen bleiben. Und das wiederum führt dazu, dass der Imageschaden, den Astrazeneca zweifelsohne längst hat, sich enorm vergrößert. Man nennt das Handlungmuster einen Teufelskreis. Oder sind wir erst noch bei der Katze, die sich sprichwörtlich in den Schwanz beißt?

Auf jeden Fall hat das nun schon ausgewachsene Imageproblem dazu geführt, dass die ARD im Tagesschau-Portal die Nachrichten-Geschichte des Impfstoffs zusammenstellen (Link unten, Artikel vom 01.03.2021, unbedingt lesenswert). Die Geschichte der Missverständnisse, Unverständnisse, Fehler- und Falschmeldungen ist schon derart beeindruckend, dass die Frage erlaubt sein muss: Was machen da eigentlich die Medienmacher? Und warum machen sie das?

Das Unglück begann, zumindest in Deutschland, mit einem (scheinbaren) Rechenfehler. Gut – wahrscheinlich würden wir alle, müssten wir in der Schule Prozentrechnen an der Tafel vorführen, jämmerlich versagen. Aber wie aus der Nachricht, dass nur acht Prozent der Testkandidaten beim Astrazeneca-Impfstoff älter als 65 Jahre waren, im Handelsblatt die Behauptung werden kann, dass Astrazeneca nur bei acht Prozent der Senioren wirkt, ist damit ja gar nicht erklärt. Hier stand niemand an der Tafel. Hier hat niemand gerechnet. Hier hat auch keiner an einem Zahlendreher gedreht. Hier hat jemand stumpf geschrieben, was er gerne hatte lesen wollen. Was da aber nicht stand. Und gegengelesen hat’s wahrscheinlich auch niemand. Und das im Handelsblatt, wo der Umgang mit Zahlen zum unmittelbaren Nachrichtengeschäft gehört. Einen Volontär, der mit Prozenten nicht rechnen und schreiben kann, dürften die doch eigentlich schon von Berufs wegen nicht nehmen.

Der Fehler machte die Runde. Auch die Bildzeitung berichtete. Kluge Rechner gingen selbstverständlich gleich frischauf ans Werk und behaupteten, dass bei einer Quote von acht Prozent älteren Testpersonen lediglich keine Aussage über die Wirksamkeit des Wirkstoffes bei Menschen über 65 getätigt werden könne. Dennoch blieb auch bei den seriös sich gebenden Medien die Astrazeneca-Wirksamkeit bei Älteren auf unter zehn Prozent festgeschrieben. Zumal ja einem ganzen Volk zuvor von eben diesen seriös sich gebenden Medien erklärt worden war, wo die Macher der fake news sitzen. Nämlich woanders. Gegenüber. Keinesfalls bei den seriösen Medien. Die berichten fast seit Beginn der Pandemie über fake news und ihren Ursprung. Und es gab ja auch Gewährsleute für die geringe Wirksamkeit von Astrazeneca bei Älteren. Und zwar niemand Geringeres als die Bundesregierung selbst. Sie soll die geringe Wirksamkeit des Wirkstoffes bei älteren Menschen wirklich bestätigt haben. Die Bundesregierung tat nach dieser Nachricht das einzig ihr noch Mögliche: Sie dementierte.

Nun können wir alle nicht nur verdammt schlecht rechnen, wir sind auch alle noch wie die Kinder, die genau wissen, wann ihre Eltern was wie abwiegeln, damit wir das glauben, was diese gerne möchten. Eine dementierende Bundesregierung hat es also aufgrund unserer Kindheitstraumen oder -träume denkbar schwer, ernst genommen zu werden. Wer beschwichtigt, wiegelt ab. Eine grundlegende Menschheitserfahrung.

Die nächste gleichzeitige Katastrophenmeldung für Astrazeneca: Der Impfstoff wirkt nicht gegen die südafrikanische Variante. Deswegen wollte ihn Südafrika nicht. Gegen das Lauffeuer, das diese Meldung lostritt, tritt die WHO auf den Plan. Doch auch sie kann nur noch sagen: Stimmt nicht.

Mit solch angeschlagenem Ruf ist die nächste Nachrichtenrunde gegen Astrazeneca ein Kinderspiel. Eine Serie von Krankmeldungen. Mal in diesem Ort und mal in jenem, angefangen bei den Rettungssanitätern. Die Nachricht, dass die Aufgabe eines Impfstoffes eben das Wirken ist und dass Wirkungen schon mal unangenehm sein können, aber beweisen, dass der Wirkstoff seiner Aufgabe nachgeht, hat es in der Nachfolge seriell erkrankender Sanitäter schwer. Was bleibt, ist das Bild eines übrigbleibenden Wirkstoffes schlechter Qualität, der dann ausgerechnet auch noch an die Menschen verimpft wird, die, wie es so schön heißt, systemrelevant sind. An unsere Helden. Und die bekommen den Impfstoff zweiter Wahl. Eine Nachricht, die schwer zu dementieren ist, weil sie präsent und unausgesprochen ist. Zumal unsere Helden auch noch eifrig versichern: Man kann die Nebenwirkungen durchaus ertragen. Sie sind allenfalls unangenehm.

Und nun? Sind wir schon beim Ausverkauf? Astrazeneca im Dutzend billiger? Oder beim Anpreisen von sauer Bier? Wer sich mit Astrazeneca impfen lässt, darf zum Beispiel zuerst ins Konzert, ins Restaurant etc. Oder bekommt er zur Sicherheit und zum Beweis der Wirksamekeit ein Dutzend Selbsttests geschenkt? Oder gar eine finanzielle Entschädigung für Kopfschmerzen und Übelkeit? Oder stellen wir Impfteams auf die (nicht mehr vorhandenen) Marktplätze in den Städten und Dörfern und lassen den Impfstoff öffentlich preisen? Wer hat noch nicht, wer will noch mal?

Das Fazit ist alt und steht schon beim griechischen Philosophen Plutarch bzw. Francis Bacon, der’s uns ins Lateinische übertragen hat:

„Audacter calumniare, semper aliquid haeret“ 

Verleumde kühn, irgendwas bleibt immer hängen.

Also: Nichts fließt, alles hängt und wir befinden uns, was Astrazeneca betrifft, in einer ganz neuen Phase. Der Medienapparat schwenkt geschlossen um: Die Tagesschau dröselt die Geschichte medialer Miss- und Unverständnisse auf, die FAZ berichtet (Link unten), dass Astrazeneca auch bei älteren Menschen hochwirksam ist. Und Menschen der Priorisierungsgruppe 2, die sonst noch auf einen Impftermin warten müssten, eingesperrt irgendwo zwischen Wohnung, Supermarkt und Arbeitsplatz, scharren mit den Hufen und hoffen auf ihre Chance mit Astrazeneca.

https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/astrazeneca-impfstoff-auch-bei-aelteren-menschen-hochwirksam-17223031.html

https://www.tagesschau.de/faktenfinder/astrazeneca-impfungen-stiko-101.html

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