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Tatort aus Wien: Handel mit elektronischer Patientenkarte hat böse Folgen

„Solide, aber unspektakulär“ betitelt die Augsburger Allgemeine heute (07.09.2020) ihre Kritik am Wiener Tatort – dem ersten nach der Sommerpause. Man ahnt: In freundlichem Gewand wird ein Verriss daherkommen. Doch es ist noch viel schlimmer: Die Augsburger Allgemeine beschränkt sich darauf, die Rezensionen der anderen zu zitieren. Die schärfste Waffe fährt ntv auf: Der Plot ist zu wirr.

Das ist richtig und falsch zu gleich. Der Rahmen: Ein Fitness-Studio größeren Ausmaßes. Schnell erwarten wir alle den Handel mit Medikamenten, die dem Muskelaufbau förderlich sind. Und richtig: Diese Vermutung endet in einer tüchtigen Prügelei, unter der der ermittelnde Kollege, der meinte, sich eine Undercover-Recherche leisten zu können, mächtig zu leiden hat. Krankenhausreif. Aber: Dort liegt nicht der Plot, den ntv für wirr hält. Der Medikamentenhandel ist nur ein Standbein, mit dem die Muskelprotze aus dem Balkan ihr Geld verdienen. Das andere Geschäftsmodell ist sehr viel einträglicher: Der Handel mit gestohlenen eCards, der österreichischen Sozialsversicherungskarte, die für die Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung gilt. Diese Karten nämlich werden deutlich kranken Albanern seriell am Hauptbahnhof verabreicht. Und als Moritz Eisner den Behandlungsbedürftigen hinterherschleicht, landet auch er im Krankenhaus. Dort werden diejenigen verarztet, die vom albanischen Gesundheitssystem nicht viel zu erwarten haben. „Wer eine Karte hat, der wird behandelt“, sagt die freundliche Ärztin dem Ermittler, der der Wahrheit bereits auf der Spur ist. Man könne nicht jede Adresse überprüfen.

Die Ärztin weiß, worin sie eingewilligt hat. Doch steckt sie im Einerseits-Andererseits fest. Das Andererseits verrät sie freiwillig: Für den Ex-Besitzer der Gesundheitskarte kann das fatale Folgen haben. Nämlich wenn der nächste Arzt die Behandlungsdaten des falschen Patienten berücksichtigt. Das passiert, weiß sie.

Wir wissen’s am Ende auch. Eisners Ex-Kollege, der Detektiv, der so bereitwillig beim Ermitteln half, steckt nämlich mitten im Thema: Seine Freundin hatte einen Schlaganfall, weil ihr bei einer OP ein Gerinnungsmittel verabreicht wurde, das sie nicht hätte erhalten dürfen. Und damit haben wir nun den Täter gefasst – auch wenn ich das Opfer hier völlig unbeachtet gelassen hatte.

Sie sehen: Wirr ist der Plot tatsächlich. Das kann aber auch daran liegen, dass Leser und Zuschauer sich seit Jahrhunderten nicht geändert haben. Bittere Wahrheiten, so wusste nämlich schon Grimmelshausen, muss man überzuckern – so, wie man es mit den bitteren Pillen macht.

Müßig die Frage, ob dieser Tatort heilsam ist. Die Frage aber, wie der neue Tatort rezipiert wird, gibt trotzdem eine Antwort darauf: Eine Rezension, die das Wort „elektronische Gesundheitskarte“ beim Namen nennt, ist schwer zu finden. Das Schlüsselwort, worauf die Rezensenten sich geeinigt zu haben scheinen, lautet: „Sozialbetrug“. Näher kommt kein Journalist dem Thema.

Sollte das daran liegen, dass das Eisen zu heiß ist? Der Plot zu wirr? Oder war es die zuckrige Ummantelung der Pille, die den Rezensenten den Zugang zur bitteren Wahrheit völlig verwehrt hat? Immerhin: Viel Muskeln, viel lapidarer Witz, eine zum Scheitern verurteilte Affäre – der Tatort „Pumpen“ wartet mit all dem auf, womit wir uns gern einen Abend versüßen.

Links zu den Rezensionen:

Die Augsburger Allgemeine:
https://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/Kritik-zum-Wien-Tatort-gestern-Solide-aber-unspektakulaer-id58063371.html

Der Spiegel:
https://www.spiegel.de/kultur/tv/tatort-aus-wien-pumpen-mit-harald-krassnitzer-a-631aba2f-d5f3-4d49-a467-be8057d555bd

Die Süddeutsche Zeitung:
https://www.sueddeutsche.de/medien/serien-tatort-wien-1.5021482

Infos:

Für alle, die einfach nur die ganze Story begreifen wollen empfiehlt sich Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tatort:_Pumpen

Für alle, die das ganze Ausmaß der Möglichkeiten begreifen wollen: Der Artikel zur österreichischen eCard bei Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/E-card_(Chipkarte)

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