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Kleine Bakteriologie des Zeitgeistes

Bakterien sind echte Tausendsassas und offenbar arbeiten sie gerade erfolgreich an ihrem Ruf. Ganz im Sinne von „Tue Gutes und rede darüber.“ Raus aus der Schmuddelecke, heißt die Devise – mit großer Unterstützung von Forschern und Medien. Zurzeit sind es die Darmbakterien, auf denen das Hauptaugenmerk liegt. Reden wir also darüber:

So haben Forscher, der Spiegel[1] berichtet, die Darmbakterien von Marathonläufern nach dem Marathonlauf ausgezählt. Sie fanden vor allem Veillonella-Bakterien. Gelten diese bei Wikipedia[2] noch als unbekannt, was ihre klinische Relevanz betrifft, haben die Forscher mittlerweile längst die Mäuse durchs Hamsterrad gejagt. Mit und ohne Veillonella-Bakterien. Ergebnis: Mit Veillonella läuft es sich um 13 Prozent länger, wenn man eine Maus ist. Die Ähnlichkeit von Maus und Mann (okay, der Fairness halber: Frauen zählen hier bestimmt auch dazu) vorausgesetzt, hat der Spiegel seinen Artikel, man sieht es am Link, in die Rubrik „Ernährung“ eingeordnet. Das entspricht der Hoffnung der Forscher, die mit Veillonella die Bewegungsfähigkeit der Menschen verbessern wollen.

Der Deutschlandfunk wendet sich einem anderen, auch eher neuen, möglichen Aufgabengebiet der Bakterien zu. Sie sollen künftig Lebensmittel-Allergien rückgängig machen.[3] Danach und unterdes kommen verschiedene Strophen des bekannten Liedes: Kinder, die auf dem Bauernhof groß werden, haben weniger Allergien. Ein Plädoyer für frühen Kontakt mit Gartenerde, Erdnüssen und Pollen. Taten die Altvorderen also recht daran, wenn sie uns, als wir noch nicht einmal weglaufen konnten, jedwedes Blümchen unter die Nase rieben – mit einem auffordernden „Hatschi“. Prost Mahlzeit.

Das Portal Grenzecho widmet sich ebenfalls den Darmbakterien. Nicht nur, dass wie bereits längst bekannt, Adipositas möglicherweise heilbar ist durch Stuhltransplantation – d.h. die guten Bakterien der guten Menschen sollen die bösen Bakterien der kranken Menschen besiegen[4]. Nein, diese Darmbakterien können, wenn sie tot sind, noch mehr. Sie sind dann nützlich bei, vor oder gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Da der Artikel[5] kostet, kann ich hier aber nichts Genaueres sagen. Was die Stuhltransplantation betrifft, gilt im Übrigen auch die Umkehrgleichung. Der Spiegel berichtete 2015 von einer Stuhltransplantation, die zwar die Patientin heilte, sie aber zugleich adipös werden ließ[6].

Und in der Tierwelt machen sich die Bakterien gerade einen Namen als Lebensretter, weil sie die Fledermäuse von einem Pilz heilen – und so die Epidemie möglicherweise ausbremsen könnten[7].

An dieser Stelle, damit die vorauseilende Lobhudelei nicht überbordet, ein kleiner Hinweis: Wegen der Rezeption beim Leser, Patienten oder gar Konsumenten, wechseln Bakterien sicherheitshalber ihren Namen, wenn’s ums Essen geht. Denn noch ist der gute Ruf der bösen Bazille doch eher zweifelhaft. Probiotikum ist deshalb seit langem schon das Zauberwort sowohl für den Supermarkt als auch für die Apotheke. Wikipedia sagt hier in der Beschreibung wahrscheinlich mehr aus, als gemeint. Das Probiotikum ist ein echtes Hybridwort[8]. Und um vom Hölzchen aufs Stöckchen zu wechseln: Das Hybrid ist ein echter Bastard. Oder Mischling[9].

Und damit bin ich sprachlich aus dem Schneider:

Bakterien sind nämlich doch nicht nur Tausendsassas, sie sind auch janusköpfige Wechselbälger. Ob sie nicht doch manchmal incognito anderes tun, als in der Literatur gerade gepriesen, kann man ja gar nicht so genau wissen. Denn nicht immer zeigen sie sich kenntlich und als Infektionskrankheit erkennt man sie meistens zu spät. Deswegen hier Nachrichten von der anderen, abgrundtief gefährlichen Seite der Kleinstlebewesen: Manche von ihnen können nämlich erstens kilometerweit eigenständig fliegen, schreibt das Portal Fitbook[10]. Und zweitens tun sie das offenbar besonders gern im Bällebad[11]. Unmittelbar neben und mit den Klein- bis Kleinstkindern. Und das wiederum ist hochgradig infektiös. Im Artikel gibt’s Zahlen für das, was der Autor des Artikels mit bestem sprachlichen Gewissen eine Bakterienschleuder nennt.

Derartig in die Gefahrenzone gerutscht, will ich eine Warnung von Alexander Bischoff im „Tag24“ am Ende meines Geredes auch nicht unterschlagen. Auch wenn’s jetzt rapide über den Regenbogen prescht. Der Autor zieht einen Zahnarzt heran, um folgende Warnung auszuposaunen: Je inniger der Mensch küsst, vor allem wenn er fremdküsst, desto größer die Ansteckungsgefahr. Es lauern Herpes, Eppstein-Barr etc.[12]

Dann doch lieber eine Stuhltransplantation? Die Pille mit dem Kot der Guten ist auf jeden Fall schon in Arbeit. Und beim Küssen gilt: Immer nur den eigenen Partner – und bloß nicht so lang.

 Fußnoten:

Bisherige bakteriologische Artikel:

Bakterien und Gesundheit - vom Einfluss des Mikrobioms
Bakterien im Gehirn - Mikroflora?
Bakterien-Klebstoff identifiziert

Personalmangelerscheinungen
Telematik: Ein Drittel der Ärzte nicht angeschloss...

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