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Die vierte Welle - musikalisch und gedanklich untermalt

„Spahn plant für eine vierte Viruswelle“, titelt die Berliner Morgenpost am 02.06.2021.
https://www.morgenpost.de/vermischtes/article232428875/corona-news-impfung-who-china-lockerungen-rki-zahlen.html

Und ich frage mich, welches Vergnügen der zuständige Schlagzeilen-Redakteur bei dieser Schlagzeile wohl empfunden haben mag. Stellen Sie sich mal vor, Sie fliegen schnell über diese Zeile hinweg, weil Sie eigentlich gleichzeitig etwas anderes tun. Oder weil das Telefon klingelt. Oder weil Sie sich für Spahn nur deshalb interessieren, weil es ohne Gesundheitsminister auch nicht geht. Sie huddeln also optisch durch die oberste Zeile und lesen: „Spahn plant vierte Viruswelle“. Spätestens da hat die Berliner Morgenpost die Aufmerksamkeit, die man als Zeitung so braucht. Und dann bemerken Sie den Irrtum. Spahn plant nur für. Oder sorgt vor. Aber: Seit wann reden wir denn eigentlich von der vierten Welle? Und wer spahnt oder plant was und warum?

Gut ist: Von den Wellen in den Sommerferien 2021 redet erst einmal keiner. Allenfalls von den Wellen der Nordsee. Oder von den Sommerferien 2020, nach denen plötzlich und unerwartet die zweite Welle über uns hereinbrach. Das soll sich 2021 nicht wiederholen, so der Wunsch derer, die jetzt, vor den Sommerferien, von der vierten Welle sprechen. Doch manchmal haben ja heimliche Wünsche verheimlichte oder gar unheimliche Väter. Sie wissen schon: Der Vater des Gedankens ist manchmal nämlich Ursache oder gar Verursacher. Hier wäre die drohende Bundestagswahl väterlich in Betracht zu ziehen. Dafür käme doch die vierte Welle zeitlich geradezu perfekt. Denn wer wählt schon ein Abenteuer in den Bundestag, wenn er hinter, vor oder über sich eine Welle, noch dazu die vierte, wähnt?

Nicht die vierte, aber die perfekte Welle hat im Jahr 2004 die Gruppe Juli besungen und war damit so erfolgreich, dass sie 2005 die nächste Single verschieben musste. Mit Corona hatte das Ganze selbstverständlich noch nichts zu tun, auch nicht mit Spahn und nichts mit der Wahl. Damals auch nichts mit den Tsunamis im Indischen Ozean, die dafür sorgten, dass die „perfekte Welle“ eine Weile aus Anstand unterblieb. Nun aber brauchen wir kaum anständig sein, um Parallelen zu setzen, die rein assoziativ sind:

https://www.youtube.com/watch?v=QoN8j1OUxnk

Aber zurück in die Gegenwart: Heute im Morgenmagazin hat Jens Spahn versprochen, dass die Vorbereitungen auf die vierte Welle, die nach den Sommerferien 2021 uns drohen könnte, rechtzeitig beginnen werden. Wenn ich das richtig verstehe, will er früh genug mit dem RKI sprechen. So zu lesen beim NDR am 02.06.2021 im Ticker (9:15 Uhr):
https://www.ndr.de/nachrichten/info/Corona-News-Ticker-Spahn-will-frueh-gegen-vierte-Welle-vorgehen,coronaliveticker1064.html

Aus dem Handelsblatt geht sogar hervor, und ich zitiere gleich sicherheitshalber wörtlich, dass Spahn die Gespräche „mit Experten und dem Robert Koch-Institut“ schon begonnen hat:
https://www.handelsblatt.com/dpa/wirtschaft-handel-und-finanzen-spahn-will-sich-fruehzeitig-auf-moegliche-vierte-welle-vorbereiten/27249028.html?ticket=ST-8771481-lcCMbeK32tYwEuDLVGvZ-ap3

Tja, fragen Sie sich besser nicht, ob das „Und“ im obigen Zitat ein ausschließendes oder gleichschließendes ist – und vor allem: Wer das „Und“ sprachlich dorthin verfügt hat. Wichtig ist an dieser Stelle nur eins: Spahn hat nämlich schon begonnen zu besprechen. Wohl ein Eingeständnis, dass es bei der zweiten Welle nicht ganz so perfekt geklappt hat mit den Besprechungen. Bleibt also festzuhalten: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wird die vierte Welle rechtzeitig besprechen. So zu lesen im Handelsblatt.

Wieder zurück in die Gegenwart, in der wir in Wirklichkeit das Ende der dritten Welle mit den Händen greifen können. Gestern, am 01.06.2021, einen Tag vor Spahns Auftritt im Morgenmagazin, hatte noch die Rheinische Post – hinter Bezahlschranke – den Essener Virologen Ulf Dittmer interviewt, der eine vierte Welle für ausgeschlossen gehalten hatte:
https://rp-online.de/nrw/panorama/corona-essener-virologe-ulf-dittmer-haelt-vierte-welle-fuer-ausgeschlossen_aid-58558485

RTL hat die Aussagen des Virologen zitierend übernommen. Und ohne Bezahlschranke erfahren wir hier, dass Dittmer zwar weiter zur Vorsicht in Innenräumen mahnt. Denn das Virus werde nicht verschwinden. Doch vor der vierten Welle stehe die Impfquote und die sei gut. 01.06.2021:
https://www.rtl.de/cms/virologe-ulf-dittmer-eine-vierte-corona-welle-ist-inzwischen-ausgeschlossen-4770269.html

Weitere Googeleien ergeben: Es war gar nicht der Bundesgesundheitsminister, der die vierte Welle zu planen begonnen hat. Also haben wir den Erfinder der vierten Welle noch gar nicht gefasst.

Am 22.05.2021 hatte RTL bereits den Virologen Hendrik Streeck nach der möglichen vierten Welle befragt. Doch Streeck redet offen: „Wir wissen einfach schlicht und ergreifend nicht, was im Herbst passiert.“ Hinter dem großen Wenn packt er dann aber doch aus, was man tun könnte und müsste, um bei der doch nicht unmöglichen vierten Wellen den soundsovielten Lockdown zu vermeiden:
https://www.rtl.de/videos/droht-uns-eine-vierte-corona-welle-60a936cb64d93918c012a052.html

Und noch vier Tage früher hatte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach vor der vierten Welle gewarnt (Merkur, 18.05.2021):
https://www.merkur.de/welt/corona-lauterbach-deutschland-indien-mutation-welle-herbst-grossbritannien-sommer-90576101.html

Schuld an Lauterbachs Sorgen ist die indische Variante. Die wir aber, das nur nebenbei, bald schon nicht mehr indische Mutantenvariante nennen dürfen. Die WHO verteilt nämlich, um Diskriminierungen zu verhindern, nun griechische Buchstaben an die Mutanten, die bislang geografisch benannt wurden. Das war nicht leicht, die WHO hat für diese Idee der Namensumbenennung Wochen gebraucht, liest man in zuverlässiger Quelle, nämlich in der Süddeutschen Zeitung, am 01.06.2021. Leider geht hieraus noch nicht hervor, welcher Buchstabe für die indische Form auserkoren wurde:
https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/who-namen-mutanten-coronavirus-1.5310335

Um es kurz zu machen: Den Wortschöpfer der vierten Welle kann ich trotz Rückwärtsgoogelns nicht sicher dingfest machen. Vielleicht sind wir alle kleine Lauterbachs und zählen heimlich von der Drei zur Vier. Perfekt ist diese Welle vor allem in einer Hinsicht: Als Drohung für die Zukunft. Sie könnte stattfinden. Vielleicht. Wenn wir nicht artig sind. Irgendwie, irgendwo, irgendwann – um von der perfekten Welle zurück zu Nena und der Neuen Deutschen Welle zu switchen:

https://www.youtube.com/watch?v=oMHLkcc9I9c

Das Bundesgesundheitministerium geht in der Presse...
Nicht nur in Köln: Lollitests und Kitas schneiden ...

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