Aus alten Zeitungen: Maikäfersuppe für die Kranken
Bild: Echo der Gegenwart, 20.5.1882, 3. Seite
https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/3556389
Sie heißen Mehlkäfer, Wanderheuschrecke, Hausgrille, Buffalowurm oder Getreideschimmelkäfer. Und sie haben eins gemeinsam: Sie sind in der EU als Lebensmittel zugelassen, gefroren, getrocknet oder pulverisiert. Und selbstverständlich müssen die Nudeln, die sich solcher Zutaten bedienen auch entsprechend gekennzeichnet sein.
Wer in der Liste noch fehlt, ist der Maikäfer. Dass dessen Verzehr in der Vergangenheit auch als Delikatesse beschrieben sowie auch betrieben wurde, ist seit wenigen Jahren, gerne im Mai, immer wieder Nachricht. Auch die Rezepte lassen sich längst googeln. Sogar bei Wikipedia findet sich eine Anleitung fürs Kochen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Maik%C3%A4fersuppe
Man kann die Maikäfersuppenforschung aber noch deutlich weiter treiben, wenn man sich durch das Zeitungsportal Zeitpunkt.NRW arbeitet. Hier sind Zeitungen von 1742 bis hinein in die Gegenwart online gestellt – und auch durchsuchbar gemacht.
Die Durchsuchung dieser alten Zeitungen von meinem Laptop aus hat nun Folgendes ergeben: Das Rezept zur Maikäfersuppe wurde von einem Dr. Johann Joseph Schneider* publik gemacht. Und zwar in den 1840ern in Siebenhaars „Magazin für Staatsarzneikunde“. Auch für die Zeitungen waren die Maikäfer danach regelmäßig ein gefundenes Fressen – natürlich gerne im Mai, aber genauso gern im Juni. Nachdenklich machen die Zeiträume, die zwischen den Veröffentlichungen liegen: 1845, 1856, 1870, 1881 und 1920. Dahinter lassen sich nun Jahre mit Maikäferplagen vermuten – bestätigen kann man das mithilfe der Zeitungslektüre nicht wirklich. Gejagt wurden die Maikäfer (auch) in anderen Jahren.
Erstaunlich ebenfalls: Die Texte mit dem Maikäfer-Suppen-Rezept weisen von 1845 bis 1920 eine solche Ähnlichkeit der Argumente, Worte und Zutaten auf, dass es ausgesprochen naheliegt, dass die Zeitungen 80 Jahre lang immer wieder Dr. Schneider abgeschrieben haben. Und der empfiehlt die Suppe vor allem auch für entkräftete Kranke. 30 Maikäfer pro Portion sind vonnöten. Am besten nehme man Maikäfer von Buchen, denn Käfer, die sich von Eichenblättern ernährt hätten, schmeckten bitter. Die armen Tierchen werden lebendig gewaschen, zerstoßen und in Butter geröstet. Ab jetzt beginnen die Unterschiede: Man kann sie in Fleischbrühe oder einfach nur in Wasser kochen. Dann wird abgeseiht und angerichtet. Mit gerösteten Semmelschnitten. Wer seine Gäste täuschen wolle, denn die Maikäfersuppe schmecke nahezu wie Krebssuppe, der füge der Suppe noch Krebsschwänze hinzu. 1882 erfährt die Abschmeckerei eine Erweiterung: Sherry und Champignons verfeinern die Suppe. Oder aber man röstet das Weißbrot gleich mit den Käfern und kocht die Suppe damit sämiger.
Dr. Schneider jedenfalls empfiehlt die Suppe für Hospitäler und Kasernen: „Nur Vorurtheil konnte dieses feine und treffliche Nahrungsmittel, namentlich für sehr entkräftete Kranke, diesen entziehen, und ist das Vorurtheil dagegen einmal besiegt, so wäre diese Suppe eine gute Acquisition für Hospitäler und Casernen, wo sie, auch ohne Bouillon, blos mit Wasser bereitet, herrliche Dienste thun wird.“
Clevisches Volksblatt, 7. Juni 1856, 4. Seite
https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/4182172
Um das Ausmaß der „Maikäfer-Plagen“ zu verstehen, sei ein Artikel aus dem „General-Anzeiger für Stadt und Kreis Düren“ vom 14.04.1894 (3. Seite) empfohlen. Dort gibt es Zahlen: So seien in der Gemeinde Vitry an der Seine im Jahre 1892 10501 Kilo Maikäfer gefangen worden. Die Gemeinde hatte für jedes Kilo 10 Cents bezahlt und sich in ihrer Kampagne besonders an die Arbeitslosen gerichet. 182.032.430 Maikäfer hätten allein aus diesen toten Maikäfern aus Vitry entstehen können. Es folgt die Meldung, dass hier die köngliche Regierung für Kirchen und Schulwesen im Blick auf das nun folgende Flugjahr den Kindern schulfrei gibt, die sich an der Maikäfersammlung beteiligen wollen.
https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/4212020?query=%22Maik%C3%A4fer%20plage%22
* Dr. Johann Joseph Schneider lebte von 1777 bis 1854 in Fulda. Bekannt geblieben ist er wohl weniger wegen seines Rezepts zur Maikäfersuppe, als regional als Arzt, Historiker und als Geograph. Neuem aufgeschlossen war von Anfang an: Er war einer der ersten Ärzte, die die Pockenimpfung verimpft haben. Mehr bei Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Joseph_Schneider
und in der Deutschen Biographie:
https://www.deutsche-biographie.de/sfz78813.html
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