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Nicht ohne Widerspruch - ein ganz neues Modell gegen den Verfall von Wählerstimmen

Das Genie ist einzigartig. Der Geniestreich auch. Doch es muss nicht immer der Einzelne sein, der genial zu einem Streich ansetzt. Die Familie kann das auch. Oder jede andere Gruppe, die sich um einen Tisch schart. Ich bin mir sicher, Sie kennen das. Meist braucht es für die wirklich genialen Ideen nicht einmal Alkohol. Kaffee reicht. Oder Tee. Vielleicht noch ein bisschen Sonnenschein – und: Voilá: Da ist sie. Die Lösung.

Bislang ist die Lösung noch völlig unterbewertet und wird nur auf wenigen Gebieten eingesetzt. Dabei kann sie an vielen Stellen nützlich, ja sogar hilfreich bis entscheidend sein: Die Widerspruchslösung. Noch gilt sie nur für die Patientenakte. Und für die Organspende ist sie in Deutschland immer mal wieder im Gespräch. Oder sie wird dringend gefordert. Gilt aber noch nicht.

Und ja: Es fehlt an Organspenden und es fehlt an Patientendaten. Deswegen ist die angenommene grundsätzliche Idee der allgemeinen Zusage ja an und für sich schon eine ausgesprochen geniale Idee: Wer nicht nein sagt, der hat ja gesagt. (By the way: Das hat man gern auch den Opfern von Vergewaltigung unterstellt: Sie haben nur nicht laut genug nein gesagt. Aber die Widerspruchslösung scheint bei Vergewaltigungen sehr grundsätzlich gar nicht zu funktionieren.)

Aber kommen wir zum eigentlichen Punkt. Den Punkt, den meine Familie mit etwas Kaffee und viel Sonnenschein plötzlich glasklar vor Augen hatte. Klar: Heute ist Wahltag. Und auch wenn die Wahlbeteiligung in diesem Jahr bis zum Kaffeetrinken – es ist übrigens nicht nur in Köln schon Karneval – Grund zur Hoffnung gibt: So viele verschenkte Stimmen! 1969 lagen wir mit der Wahlbeteiligung noch bei über 90 Prozent. Gut, das war der Spitzenwert. 2021 waren es nur noch 76,4 Prozent. Fast ein Viertel der Stimmen – hoffnungslos verfallen.

Das geht auch anders. Die Widerspruchslösung muss her. Stellen Sie sich mal vor, man hätte diese Stimmen damals, 2021, als die Regierung angetreten ist, die die nächsten vier Jahre nicht schadlos überstehen sollte, sinnvoll einsetzen könne. Sozusagen als Joker. Oder als Ass im Ärmel. Oder als Multiplikator. Oder als Entscheidungsfinder.

Modelle sind da mehrere möglich: Jede Stimme, die nicht abgegeben wurde, geht vor der Regierungsbildung an … Ja, an wen eigentlich? An die bestehende Regierung? (Oder an die nicht-beständige Regierung?), an die Mehrheit? An die Minderheit? Oder wie wäre es, diese Stimmen zu verlosen? Nein, die Verlosung wäre dann ja irgendwie auch beliebig ...

Aber jetzt mal im Ernst: Die Widerspruchslösung ist, lexikalisch betrachtet, bislang nur mit der Organspende konnotiert. Zumindest im Duden. De facto haben Sie aber längst, sofern Sie eben nicht widersprochen haben, eine Patientenakte. Mit der Sie wahrscheinlich gar nicht so viel anfangen können – im Moment. Aber stellen Sie sich doch einmal vor, was die Regierung mit Ihrer Stimme anfangen könnte, wenn Sie sie frei einsetzen könnte. Koalitionsmöglichkeiten könnten so unterstützt und gelenkt werden. Und wenn Sie sowieso nicht wählen wollten, nicht wählen konnten, nicht entscheiden wollten und gar keine Idee hatten, wem Sie Ihre Stimme überhaupt hätten anvertrauen können: Spätestens morgen wissen Sie, was Sie hätten richtig machen können.

Wäre nun aber, egal wie die Wahl ausgegangen sein mag, Ihre Stimme in dem Pool der Stimmen, die, da ohne Widerspruch geblieben, nach der Wahl nach einer – noch zu konstituierenden – Regel verteilt würden: Es wäre doch allen geholfen! Ihnen an erster Stelle. Sie hätten zumindest gewählt. Das, so schien es ja vor der Wahl manchmal, ist ja überhaupt das Allerwichtigste in und an der Demokratie. Sie wären nicht der uninteressierte, gelangweilte Bürger, der an dem Ende der Demokratie arbeitet allein deswegen, weil er sein Kreuz nicht zu setzen vermag. Vielleicht wären Sie sogar genau der Held, dessen es bedurft hätte, damit eine Regierung zustande kommt, die ihrem Namen gerecht werden kann.

Die Widerspruchslösung kommt ja zum Einsatz, wenn es um Leib, Leben und Daten geht. Sprachlich. De facto aber: Sie müssen ständig und überall widersprechen, wenn Sie etwas wollen. Werbung im Briefkasten zum Beispiel. Wobei Sie da manchmal gar nicht oft genug widersprechen können. Der Widerspruch gehört zu den demokratischen Grundprinzipien: Sie können dem Bau eines Flughafens ebenso widersprechen wie der Anlage eines Gewerbeviertels vor Ihrer Haustür. Insofern: Wir haben es ja trainiert. Wir können es ja. Widerspruch ist ein zutiefst demokratisches Ding. Deswegen hatten wir über unseren Kaffeetassen auch keinerlei Bedenken, dass die Widerspruchslösung gerade auch für jede Form von demokratischen Wahlen – und sind Wahlen nicht auch immer demokratisch? – das richtige Mittel der Wahl ist.

Und eines ist ja auch ganz klar: Der Deutsche an und für sich und als solcher ist ja auch ein Mensch, der gerne widerspricht. Warum also fragen wir, sollten wir nicht all jene Stimmen nutzen, die ihre rechtmäßigen „Besitzer“ so hoffnungslos fallen lassen?

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