Aus alten Zeitungen: Röntgens Entdeckung durchdringender Strahlen
Wer mehr über seine Zeit wissen will, ist ja manchmal gut beraten, sich in anderen Zeiten gründlich umzugucken. Für diese von Zeit zu Zeit auch sehr vergnügliche Geschichtsforschung hat das Zeitungsportal zeit.PunktNRW historische Zeitungen aus Nordrhein-Westfalen online gestellt – mithilfe vieler Akteure, wie u. a. das Land NRW und die Unibibliotheken Bonn, Düsseldorf und Münster. Auch im Deutschen Zeitungsportal finden Sie viele alte Zeitungen. Das Beste: Sie können dort auch Themen- und Wörtersuche betreiben. Allerdings: Sie müssen auch Frakturschrift lesen können. Doch das übt sich.
Hier auf der MEDNET Nachrichtenseite sollen nun von Zeit zu Zeit Meldungen und Nachrichten aus alten Zeiten eingestellt werden. Medizingeschichtliches, Ärztliches, Menschliches – dabei nicht nur Vergnügliches. Heute – aus Anlass des 100. Todestages Wilhelm Conrad Röntgens geraten die Reaktionen seiner Zeitgenossen in den Blick, als er seine Entdeckung öffentlich macht.
Wer danach selbst weiterrecherchieren möchte:
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/newspaper
https://zeitpunkt.nrw/
Fast noch interessanter als die Würdigungen Conrad Wilhelm Röntgens im untenstehenden Text sind die Reaktionen seiner Zeitgenossen ob seiner bahnbrechenden Erfindung. Landauf, landab berichten die Zeitungen Anfang 1896. Und da Nachricht und Kommentar noch nicht säuberlich auf getrennte Textgattungen verteilt wurden, finden sich hier Reaktionen zwischen Hoffnung, Phantasie, Euphorie und Zweifel.
Hoffnungsvoll kommt am 8. Januar 1896 der General-Anzeiger für Dortmund und die Provinz Westfalen daher. Gleich auf der Titelseite findet die Nachricht über die Entdeckung der Röntgenstrahlen: „Diese Strahlen nun, von deren Existenz man bisher keine Ahnung hatte, sind für das Auge vollständig unsichtbar; sie durchdringen, im Gegensatz zu gewöhnlichen Lichtstrahlen Holzstoffe, organische Stoffe und dergleichen unsichtbare Körper. Metalle und Knochen hingegen halten die Strahlen auf.“ Ausführlich wird die Gerätschaft und Arbeitsweise Röntgens erläutert, die erste Röntgenaufnahme, die durchleuchtete Hand von Röntgens Ehefrau, deren Bild in Wien kursiert, wird beschrieben, Mit dem Fazit: „Die Zweifel müssen sich bescheiden, wenn man vernimmt, daß das photographische Beweismaterial für diese Entdeckung vor den Augen ernster Kritiker bisher standzuhalten scheint.“
Daran schließt sich – zumindest in dieser Zeitung – eine Kette von Hoffnungen und Phantasien an. Zuallererst natürlich die Hoffnung, dass künftig traumatische Knochenkrankheiten seriell und leicht zu diagnostizieren sind. Doch dann: „Und läßt man der Phantasie weiter die Zügel schießen, stellt man sich vor, daß es gelingen würde, die neue Methode des photographischen Prozesses mit Hilfe der Strahlen aus den Crookesschen Röhren so zu vervollkommnen, daß nur eine Partie der Weichteile des menschlichen Körpers durchsichtig bleibt, eine tiefer liegende Schicht aber auf der Platte fixiert werden kann, so wäre ein unschätzbarer Behelf für die Diagnose zahlloser anderer Krankheitsgruppen als die der Knochen gewonnen.“
Vor dem Schreiber liegt die Hoffnung auf eine Medizin, die im wahrsten Sinne des Wortes durchsichtig wird. Und er endet mit: „Wir gestehen, daß das alles überkühne Zukunftsphantasien sind.“ Dem folgt aber der Verweis, dass derjenige, der zu Anfang des Jahrhunderts behauptet hätte, man werde demnächst mit einem Apparat Gespräche über den Ozean hinweg führen können, zweifelsohne in die Irrenanstalt eingewiesen worden wäre.
Wer den Artikel im General-Anzeiger selbst lesen möchte, kommt über zeit.punkt.NRW weiter:
https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/zoom/10991111?query=%22Wilhelm%20Conrad%20r%C3%B6ntgen%22
Natürlich hatte oben zitierter Schreiber nicht alles selbst geschrieben. Die Beschreibung der Apparatur und des Erfolges wird den Wiener Zeitungen entnommen sein. Das zumindest liegt nahe, wenn man die Langenberger Zeitung vom 10. Januar 1896 liest. Hier zitiert nämlich der Schreiber – für wortgleiche Sätze wie im General-Anzeiger – die Wiener Presse. Das tut er allerdings nicht, weil er redlicher ist. Er tut es, weil er sich nicht, wie sein Konkurrent, zu euphorischen Höhenflügen hinreißen lassen will. Auch wenn er die Chancen der neuen Technik sieht und beschreibt – er endet lapidar: „So weit die Wiener ,Presse‘“. Man wird abwarten, ob sie sich nur einen Scherz erlaubt hat oder ob jene Angaben wirklich auf einer thatsächlichen Grundlage beruhen.“
Auch diesen Zeitungsartikel finden Sie bei zeit.punkt.NRW:
https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/1151515?query=%22Wilhelm%20Conrad%20r%C3%B6ntgen%22
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