Schweinereien im Journalismus: Beförderung einer Kreuzung zum Nuklear-Schwein
Das Portal news.de untertitelt sich mit „mehr als Nachrichten“. Auf Wikipedia firmiert es als deutschsprachig, überregional und boulevardjournalistisch.
https://de.wikipedia.org/wiki/News.de
Und da der Boulevard zum Flanieren gedacht ist, muss man sich schon mal herausputzen – „mehr als Nachrichten“ – eben. Von Fakenews wollen wir hier nicht sprechen, das wäre ja auch eher weniger als die Nachrichten.
Das Mehr in einer Nachricht vom 10.07.2021 besteht im Wesen der Mutanten von Fukushima. Dort haben sich nämlich, als nach der Reaktorkatastrophe die Menschen ihre Schweine im Stich lassen mussten, die Hausschweine mit den Wildschweinen gepaart. Herausgekommen sind eben diese Mutanten, die bei News.de als Nuklear-Schweine firmieren. Hinreichend wäre es vollkommen, von einer Kreuzung zu sprechen, wie sie im Tierreich nicht unüblich ist.
Die Beförderung zum Nuklearschwein allerdings ist unredlich, die Redakteure ahnen das womöglich, ich zitiere samt mutierter Grammatik:
„Die Forscher behauptet außerdem, dass bei den Wildschweinen zwar Radioaktivität nachgewiesen wurde, die Studie aber keine Verbindung zwischen Radioaktivität und der Entstehung der neuen Hybridart herstellt.“
Genau. Weil nicht sein darf, was nicht sein soll, und die Mutantensau so kein Unwesen treiben kann, muss ein Generalverdacht her. Mit den Forschern stimmt nämlich was nicht. Zum Beweis geht’s weiter: Die genetischen Veränderungen seien unbedeutend, und es schade nicht, die Tiere zu verzehren, weil die Strahlung äußerst unbedeutend sei, zitiert news.de die Forscher. Wir Leser wissen jetzt Bescheid: Niemals würden wir ein solches Schwein zu essen versuchen. Wie kämen wir auch dazu!
news.de, 01.07.2021:
https://www.news.de/panorama/855926291/mutierte-wildschweine-entdeckt-10-jahre-nach-atom-katastrophe-durch-paarung-mit-hausschweinen-neue-hybrid-spezies-in-fukushima/1/
Mit mehr Vorsicht und weniger Wertung, aber der gleichen nachrichtlichen Erfreutheit, geht „Der Westen“ zu Werke. Hier muss als Verkündigungsmodus in der Überschrift die klassische „Sensation“ herhalten, ein Nuklearschwein gibt’s hier nicht, auch keine Mutante. „Der Westen“ schreibt am 05.07.2021 nur über Mischwesen:
https://www.derwesten.de/panorama/vermischtes/wissenschaft-fukushima-forscher-mutation-tiere-japan-tsunami-studie-id232696065.html
Wer aber wirklich an Fakten interessiert ist, wird auf futurezone besser informiert, auch über die Studie und ihren Erscheinungsort (05.07.2021):
https://www.futurezone.de/science/article232680601/Fukushima-Katastrophe-Forscher-entdecken-Hybrid-Tiere.html
Was aber die Sensation betrifft: Haus- und Wildschwein zieht es nicht nur in oder seit Fukushima zueinander hin. Die Badische Zeitung berichtet 2013 amüsiert über diese „Sauerei! Hausschwein paart sich mit einem Wildschwein“:
https://www.badische-zeitung.de/sauerei-hausschwein-paart-sich-mit-einem-wildschwein--75554601.html
Dass eine solche Schweineliebe nichts Ungewöhnliches ist, beweisen manch ungewöhnlich aussehende Wildschweine: Ihre Flecken können nur vom Hausschwein kommen. Wikipedia weiß mehr – auch aus den 70er-Jahren der DDR:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wildschwein
Eine kleine, schweinische Gengeschichte gibt’s 2019 im Tagesspiegel. Dort steht’s geschrieben: Das europäische Wildschwein hinterlässt seinen genetischen Fußabdruck – wenn ich das so sagen darf – seit 5000 Jahren beim europäischen Hausschwein. Warum also sollen es die Schweine in Fukushima anders halten? Schließlich kommen sich ja sogar Pferd und Esel manchmal sehr nahe. Und auch das wahrscheinlich seit Jahrtausenden.
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