Es gibt sie, es gibt sie nicht, es gibt sie, es gibt sie nicht - die Männergrippe
Ja. Es gibt ihn. Den kleinen Unterschied zwischen Frau und Mann. Und auch, wenn die Zahl der Unterschiede und der Unterscheidungen stetig im Wachsen begriffen ist: In der Medizin ist der Mann das Stereotyp. Sozusagen. Auf jeden Fall ist er das Maß vieler Dinge bzw. die Messeinheit und Beobachtungsgrundlage für viele Krankheiten. Daher laufen zum Beispiel Frauen mit Herzinfarkt Gefahr, nicht ernst bzw. wahrgenommen zu werden. Denn: Ihre Symptome sind anders. So weit können Sie wahrscheinlich die jüngsten Texte genauso auswendig aufsagen wie ich.
Und auch das Lied von der Männergrippe können Sie bestimmt lauthals mitsingen: Es sind die Männer dieser Welt, die sich von der Grippe flachlegen lassen. Während die Frauen tapfer durchhalten und weiterarbeiten, wenn ihnen Ähnliches widerfährt. Nicht nur Kabarettisten und Frauen leben von und mit diesem Klischee.
Aber: Die Wirklichkeit ist mal wieder ganz, ganz anders. Die nächste Erkenntnis angeblich neu. Es ist der kleine Unterschied, mal wieder, der die Männergrippe zu einer ernstzunehmenden Erkrankung macht. Eine australische Forscherin hat’s herausgefunden. Männer können sich einfach schlechter wehren. Was die Immunabwehr betrifft. Also trifft sie eine Erkältung deutlich mehr als Frauen. Man soll da nicht spotten, endet der Artikel, der gerade nicht gerade um die Welt, aber doch quer durch Deutschland geht. Denn spottet man zu viel, gehen die Männer nicht mehr zum Arzt. Das wäre blöd. Dann lägen sie ja weiterhin mit Grippe auf dem Sofa.
Und woran liegt’s? Mutmaßlich tatsächlich an dem kleinen Unterschied. Dieses ver-mann-edeite Y-Chromosom, das als Zeichen der Männlichkeit doch irgendwie unvollständig ist. (Apropos unvollständig: Möglicherweise hat der Herr, ich meine den Schöpfer aller Welten, dem Mann zu Beginn der Schöpfung nicht wirklich die Rippe entwendet, um eine Frau zu schaffen. Vielleicht hat er das Y-Chromosom um einen halben Strang gekürzt. Aber das führt hier viel zu weit weg.)
Noch einen anderen mutmaßlichen Grund führt die australische Forscherin ins Feld. Auch einen kleinen, aber feinen Unterschied. Männer leben nämlich ungesünder und trinken mehr Alkohol. Bestimmt ist das ein zweiter guter Grund für die schlechtere Immunabwehr.
Fazit: Es lebe das Klischee Und: Männer sind anders. Frauen auch.
Den Artikel über die australische Forscherin lesen Sie in mehreren Zeitungen: Die Neue Osnabrücker Zeitung veröffentlicht ihn am 14.08.2024 hier:
https://www.noz.de/lebenswelten/gesundheit-fitness/artikel/gibt-es-die-maennergrippe-wirklich-das-sagt-eine-forscherin-47585266
Sie finden den Artikel auch in der heutigen Papier-Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeiger, sie finden ihn in den Westfälischen Nachrichten und wahrscheinlich noch in vielen anderen Zeitungen. Nun mag die Forschung der australischen Forscherin tatsächlich (relativ) neu sein. Die Erkenntnis, dass die Grippe der Männer ein ernstzunehmender Unterschied zur Frauengrippe ist, ist keineswegs neu.
Der Kölner Stadt-Anzeiger kam zum Beispiel am 25.11.2023 mit dieser Erkenntnis um die Ecke:
https://app.ksta.de/wochenende/waehrend-du-schniefst-gibt-es-die-maennergrippe-ueberhaupt-663036
Der MDR bestätigte in einem Wissensbeitrag am 10.01.2022 die Existenz der Männergrippe:
https://www.mdr.de/wissen/faktencheck/faktencheck-maennergrippe-100.html
Ganz unwidersprochen sind diese Erkenntnisse allerdings auch nicht. Die „Geo“ führte am 05.01.2023 eine neue Studie an, die die Männergrippe als „Unfug“ enttarnte:
https://www.geo.de/wissen/gesundheit/neue-studie-entlarvt-maennergrippe-als-mythos-33071228.html
Bleibt also wahrscheinlich als Wahrheit die einzige gesicherte Erkenntnis: Die einen leiden mehr, die anderen leiden weniger. Und dann wiederum gibt es bestimmt auch Menschen unterschiedlichen Geschlechts, die ihr Leiden gern ein wenig mehr nach außen tragen.
Und vielleicht liegen da auch noch große Unterschiede in Breitengraden und Nationalitäten: Während dem englischsprachigen Wikipedia die „man flu“ eine ausführliche Betrachtung wert ist – hier erfahren wir auch, dass sie als sprachliches Phänomen in den 1990ern zum ersten Mal in Erscheinung trat –, gibt es auf Deutsch nur das Wiktionary. Also die Worterklärung. Lohnt trotzdem zu lesen, wegen der weiterführenden Links:
https://en.wikipedia.org/wiki/Man_flu
https://de.wiktionary.org/wiki/M%C3%A4nnergrippe
Nebenbei bemerkt: Die Männergruppe scheint, wenn man die Wikipedischen Veröffentlichungen durchsucht, ein eher deutsches Phänomen zu sein:
https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%A4nnergruppe
Und da ich ja immer versuche, möglichst vollständig zu recherchieren: Der Duden behauptet, das Wort Männergrippe werde oft ironisch benutzt:
https://www.duden.de/suchen/dudenonline/m%C3%A4nnergrippe
Die Internet-Apotheke meiner Wahl behauptet dagegen: „Männer haben nicht nur einfach einen kleinen Schnupfen. Männer haben eine fürchterliche Männergrippe und kämpfen tagelang heldenhaft ums nackte Überleben. Was viele Männer nämlich nicht wissen: Die Männergrippe ist in Wirklichkeit nur eine Erkältung. Seien Sie tapfer und tun Sie etwas dagegen.“
https://www.sanicare.de/maennergrippe
Andere Online-Apotheken sind da weniger ironisch. Auskünfte bleiben auf Suchnachfragen schlichtweg aus. Produktempfehlungen gibt es auf das Stichwort „Männergrippe“ aber trotzdem.
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