Ein überflüssiges Statussymbol? Geschichtliches und Gegenwärtiges zum Stethoskop
Ist das Stethoskop „nur noch“ Statussymbol und müsste eigentlich längst ausgedient haben? Diese Frage ist im Geo-Artikel zur Geschichte des Stethoskops erst am Ende aufgeworfen. Doch das Foto, das dem Artikel vorangestellt ist, deutet darauf schon hin: George Clooney im „Emergency Room“ mit blauem Arztkittel und Stethoskop leger über die Schultern gelegt. Zwischendrin wird die Geschichte der Erfindung des Hörrohrs auf dem Hintergrund der medizinischen Vorstellung ihrer Zeit – und der Antike – aufgerollt. Einschließlich des Lesevergnügens:
„Auf die entscheidende Idee bringt ihn allerdings erst sein Bedürfnis nach diskretem Abstand zum Oberkörper einer Patientin: Er rollte ein Stück Papier zu einem Rohr – und hörte mit dessen Hilfe die Geräusche im Körper der Frau nicht nur lauter, sondern auch klarer und deutlicher als zuvor.“
Der Geo-Artikel trägt selbst kein Erscheinungsdatum, laut Google-Liste ist er vom März 2025:
https://www.geo.de/magazine/geo-chronik/medizingeschichte-hoehrrohr-und-hoheitszeichen-warum-aerzte-das-30175136.html
Die Geschichte der Erfindung des Stethoskops im Jahr 1816 unterliegt natürlich der Legendenbildung: Manchmal ist es allein die Fettschicht der dickeren Patientin, die dem Arzt die Erfindung des Hörrohrs (aus Papier) quasi abverlangt. Andere, auch Laënnec selbst, verweisen auf den erforderlichen Anstand - bzw. Abstand. Die Patientin war jung, kam aus besserem Hause – und sie war eben weiblich. Wobei sie in der Überlieferung auch schon mal zu einem männlichen Patienten wird.
Eine ebenfalls gut zu lesender Artikel über die Erfindung des Stethoskops stammt von Dr. Dieter Schwarze und ist online als PDF im Archiv der Deutschen Kardiologischen Gesellschaft zu finden:
https://historischesarchiv.dgk.org/files/2023/08/laennec_2023_06_12.pdf
Über den Siegeszug des Stethoskops gibt es naturgemäß auch verschiedene Erzählstränge. Ein Rückblick in alte Zeitungen kann vielleicht einen authentischeren Eindruck vermitteln. So stehen dem Arzt Dr. C. Stucke aus Lennep am 15.05.1824 im Rheinisch-Westfälischen Anzeiger fast zwei Seiten unter der Rubrik „Heilkunde“ zur Verfügung, die er dazu nutzt, das Stethoskop in den höchsten Tönen zu preisen. Gerne auch mal bildhaft:
„Erfundene Maschinen verbreiten sich rasch über alle Fabrikorte, oft zum Schrecken dadurch brodlos werdender Arbeiter, immer aber zum Vortheil des Ganzen. Manche Erfindung, die bescheidener auftritt, besonders, wenn zu deren Anwendung im Leben eigne Anschauung oder gar Anstrengung des Geistes gehört, oder wenn ihr Vortheil nicht augenblicklich am Tage liegt, erfreut sich nur einer langsameren Verbreitung.
So geht es der Laennec’schen Erfindung des Stethoskops (Brustforscher, Brusthörrohr), wovon es auffallend ist, daß es in Deutschland bis dahin nicht lebhaftere Aufnahme gefunden hat.“
Ganz anders in Frankreich, vor allem in den Krankenhäusern in Paris: Dort trage „jeder Dirigent einer inneren Krankenstation, jeder Eleve und fast jeder klinische Schüler“ bei sich, um es im Bedarfsfall anzuwenden.
Stuckes Begeisterung über den Arzt und seine Erfindung äußert sich dann noch sehr viel blumiger:
„Laennec ist selbst brustkrank, und kürzlich erst aus dem südlichen Frankreich, dessen süßes Klima und lauen Lüfte seine wunde Brust wieder herstellen sollten, zurückgekehrt. Er verwendet um so mehr allen seinen Fleiß auf die Erforschung dieser so allgemein verbreiteten, so häufig vorkommenden und gewöhnlich so schlimm endenden Krankheiten, als er den hohen Standpunkt, dessen er sich als Arzt und Gelehrter erfreut, vorzüglich seinen Forschungen in diesem Felde verdankt.“
https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/zoom/4487923
Ganz unbeachtet aber scheint das Stethoskop 1824 in Deutschland nicht geblieben zu sein. Im Bonner Wochenblatt inseriert am 19.08.1824 ein Drechsler: „Laennec’sche Stethoscope sind zu haben bey Drechslermeister Christian Fritsch in Bonn.“
Das hölzerne Stethoskop von Laënnec ist im Science Museum in London ausgestellt. Bei Wikipedia eingestellt von Mrjohncummings, https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Laennecs_stethoscope,_c_1820._(9660576833).jpg
Weitere Links:
Wikipedia über Laënnec:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ren%C3%A9_Laennec
Wikipedia zum Stethoskop:
https://de.wikipedia.org/wiki/Stethoskop
Das Deutsche Ärzteblatt veröffentlichte in der Ausgabe 46/2013 einen kurzen Kommentar von Franz Hermann Franken, der sich mit der Frage auseinandersetzt, ob das nur noch Stethoskop Statussymbol ist – da Medizinstudenten die Auskultation nicht mehr vermittelt würde. Titel: „Randnotiz: Statussymbol Stethoskop“:
https://www.aerzteblatt.de/archiv/randnotiz-statussymbol-stethoskop-ba5662a8-ce46-4e40-ac37-d38b2a8c5b6c
Aktueller ein Interview auf esanum.de mit Dr. Christian Becker: „Stethoskop ade? Wie junge Mediziner die digitale Zukunft des Gesundheitswesens gestalten wollen“
https://www.esanum.de/conferences/der-internistenkongress/feeds/today/posts/stethoskop-ade-wie-junge-mediziner-die-digitale-zukunft-des-gesundheitswesens-gestalten-wollen
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