„Wer früher stirbt, ist länger tot.“ Dieser Wortwitz hat einige Jahrzehnte auf dem Buckel, also habe ich vielleicht eine Chance, dass ihn jemand noch nicht kennt. Dieser Wortwitz, der das Lächeln bei den meisten Zuhörern ziemlich schnell sterben lässt, weil er so langweilig wie irrsinnig ist, ist aber deutlich mehr, als nur bedingt witzig. Er ist nämlich auch sprachkritisch. Denn: Was ist früh? Was ist lang? Und was überhaupt bedeutet Zeit? Und welche Relevanz hat dieses Zeitverhältnis im Angesicht des Todes?

Ziel meiner Erörterung ist ein Artikel über eine Studie zu den Schritten, die wir alle täglich machen sollten. Die gute Nachricht vorweg: Überraschend ist herausgekommen, dass wir mit 4000 täglichen Schritten auch schon ganz enorm weiterkommen. Das Zitat, auf das ich Sie vorbereiten wollte, kommt jetzt:

„Die im Fachjournal „European Journal of Preventive Cardiology“ veröffentlichte Studie ergab, dass schon mindestens 3.967 Schritte pro Tag das Risiko verringern, an irgendeiner Krankheit früher zu sterben.“

227 000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind Ihnen für dieses Ergebnis schon mal viele Schritte vorausgegangen. Aber es geht noch viel konkreter: 1000 Schritte pro Tag senken das Risiko, an irgendeiner Krankheit früher zu sterben, um 15 Prozent, 500 Schritte um sieben Prozent.

Nichts gegen die Studie, die habe ich nicht einmal gelesen. Aber der Text über die Studie macht mir reichlich Freude. Gerne, so die Berichterstatter, dürfen wir auch mehr als 20000 Schritte täglich gehen – je mehr, desto besser.

Lassen Sie mich rechnen: mit 1000 Schritten pro Tag sinkt das Risiko um 15 Prozent. Gehe ich 20 000 Schritte pro Tag, denn mehr ist ja besser, bin ich bei 300 Prozent. Das sind 200 Prozent mehr, als ich rechnerisch für die Unsterblichkeit bräuchte.

Gut, ich gebe zu, so einfach ist weder Mathematik noch Statistik noch Studie. Das muss ja eine fallende Kurve sein. Wenn die ersten 1000 Schritte 15 Prozent ausmachen, die zweiten vielleicht auch noch – muss ja irgendwann die Prozentzahl pro Tausender sinken. Und zwar drastisch. Denn die Hundert muss ja hier so unerreichbar bleiben wie die Unsterblichkeit.

Bleibt trotzdem eine tröstliche Erkenntnis: Laufen Sie weiter! Aber stellen Sie Ihren Schrittzähler ruhig um eine Anforderung niedriger.

Links:

Der Text zur Studie findet sich am 09.08.2023 beim ORF:
https://science.orf.at/stories/3220674/?utm_source=pocket-newtab-de-de

Zur Studie kommen Sie hier:
https://academic.oup.com/eurjpc/advance-article/doi/10.1093/eurjpc/zwad229/7226309