„Warken offen für Gespräche über Lockerung bei Krankschreibung“ – so titelt das Deutsche Ärzteblatt am 15.10.2025. Sprachlich betrachtet ist diese Überschrift nicht unbedingt der Knaller. Lesen Sie sie, schließen Sie die Augen und versuchen Sie, die Überschrift wortgetreu zu wiederholen. Aber: Diese Überschrift wirkt sachlich. Und: Sie ist doch ein Knaller.

Das jedoch merkt man erst, wenn man die Überschriften der anderen Medien liest: „Warken will an Regeln für Krankschreibungen festhalten“, schreibt die ZEIT über ihren Text. Diese Zeile können Sie schon ein wenig leichter mit geschlossenen Augen wiederholen.

Die Tagesschau versucht’s pointiert: „Warken hält an Krankschreibungsregeln fest – vorerst“.

Und der Merkur: „Wann ist eine Krankschreibung fällig? CDU-Ministerin ist ,offen’ für neue Regel“

Hier die entsprechenden Links. Alle Artikel sind vom 15.10.2025:

https://www.aerzteblatt.de/news/warken-offen-fur-gesprache-uber-lockerung-bei-krankschreibungen-c4e2e66a-4059-4982-b5f6-175b0c9c17f1
https://www.zeit.de/arbeit/2025-10/krankschreibung-nina-warken-bundesgesundheitsministerin-aerzteschaft-gesundheitssystemhttps://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/warken-lockerung-krankschreibung-karenztage-100.html
https://www.merkur.de/politik/lockerung-von-krankschreibung-gesundheitsministerin-gespraechsbereit-93987796.html

Dass die „Offenheit“ der Ministerin zeitlich bedingt ist, weiß auch das Deutsche Ärzteblatt, das mit seiner Überschrift mutig vorangegangen ist. Kurz vor Ende des Textes muss aber auch das Ärzteblatt auf das Kleingedruckte, also die nachgeschobenen Sätze, achten. Das geht so:

„Warken verweist auf die Bedeutung einer „austarierten Lösung“ für beide Seiten, also Arztpraxen, die nicht über Gebühr belastet werden sollten, und Arbeitgeber, die ein Interesse an Belegen für krankgemeldete Mitarbeiter haben: ,Wir sollten da beide Interessen im Blick behalten und darüber noch mal ins Gespräch gehen, wenn die Infektionszeit vorbei ist.’ Aber: ,An der jetzigen Stelle würde ich da keine Veränderungen vornehmen wollen.’“

„An der jetzigen Stelle“ also wird sich nichts ändern. Das Sprichwort dazu: Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist.

Aber ein wenig „Wetterforschung“ können wir anhand der Texte ja schon betreiben. Es geht darum, die Ärzte zu entlasten. Erster Angriffspunkt: Der vorgeschriebene Zeitpunkt der Krankmeldung. Bislang muss am vierten Tag eine Krankmeldung eingereicht werden, der Arbeitgeber kann aber schon früher eine verlangen.

Ins Rollen gebracht hatte die Diskussion KBV-Chef Andreas Gassen mit dem Vorschlag, die Krankmeldung nicht am vierten Tag, sondern nach dem vierten oder gar fünften Tag zu verlangen. Noch weiter geht Clemens Hoch (SPD), Gesundheitsminister in Rheinland-Pfalz. Er kann sich einen Zeitraum von zwei Wochen vorstellen, in dem keine AU vorgelegt werden muss. Seine Begründung, so im Text des Ärzteblatts (dpa):

„Die Menschen im Land arbeiten hart, engagiert und gerne. Deshalb sollten wir ihnen das nötige Vertrauen im Krankheitsfall entgegenbringen.“
(zitiert aus dem Ärzteblatt, Link oben)

Möglicherweise hat Hoch sogar recht mit seiner Einschätzung. Aber ich wette, auch Sie haben eine solche Aussage schon lange nicht mehr gelesen, oder? Und der erste Satz hätte doch reichlich Potenzial für eine Überschrift.

Fazit: Wir wissen nun, dass die Offenheit der Ministerin prinzipiell vorhanden ist. Vor allem für Gespräche - man muss die Überschrift im Ärzteblatt sehr genau lesen. Und: Es ist alles eine Frage des Zeitpunkts, nicht wahr?

Außerdem wissen wir, dass es wichtig ist, die Hähne erst einmal krähen zu lassen. Warken wird wissen, warum.