Es ist ein Wunder. Und das Kind wird als Wunderkind gefeiert. Und zweifelsohne ist der Begriff hier nicht überstrapaziert: Drei Monate lang lag die schwangere Mutter hirntot in Koma. Im August haben die Ärzte im tschechischen  Brünn das Kind per Kaiserschnitt zur Welt geholt – und die lebenserhaltenden Maßnahmen für die Mutter eingestellt. Sie hatte in der 16. Schwangerschaftswoche eine Hirnblutung erlitten. Die Medien berichten breit gefächert, hier nur ein Link zur Deutschen Welle:

Deutsche Welle (27.8.2019):
https://www.dw.com/de/hirntote-bringt-kind-zur-welt/a-50188656

Das erste Wunder dieser Art ist die Geschichte aus Tschechien jedoch gewiss nicht, deswegen hier im Rückblick einige der Wunder, die auch unser Verhältnis zu Leben und Tod geändert haben. Deutlich wird die Veränderungen der Selbstverständlichkeiten und der Annahmen über Leben und Tod vor allem, wenn man die vergangenen Berichte liest – mindestens bis zurück zum Erlanger Baby:

Im April dieses Jahres berichtete Focus zum Beispiel über eine junge Portugiesin, die (ebenfalls!) in der 16. Schwangerschaftswoche nach einem Asthmaanfall ins Koma gefallen war. Auch sie wurde bis zur Geburt des Kindes am Leben erhalten. In der 32. Woche wurde das Kind geholt, da sich der Zustand der hirntoten Mutter verschlechtert hatte (1.4.2019):
https://www.focus.de/gesundheit/news/portugal-hirntote-frau-bringt-gesundes-baby-zur-welt_id_10529688.html

Und im Stern von 2017 findet sich die Geschichte einer jungen Schwangeren, der in der 9. Woche nach einer Hirnblutung keine Lebenschancen mehr eingeräumt wurden. Ihre Zwillinge, deren Überlebenschancen damals zuerst auf drei Tage geschätzt wurden, kamen gesund zur Welt – ein Foto gibt’s auch:
https://www.stern.de/familie/kinder/hirntote-brasilianerin-bringt-gesunde-zwillinge-zur-welt-7536300.html

Die Debatte über Moral und Ethik solcher Verfahren ist längst Vergangenheit und mit dem Schlagwort „Erlanger Baby“ wird sie wieder zur Erinnerung. Damals war, nicht nur von Alice Schwarzer, auch von Gebärmaschinen die Rede. Das war 1992 – und das Erlanger Baby hat es damals nicht ins Leben geschafft. Im Spiegel von 1992 spiegelt sich die ganze Bandbreite der Diskussion – von „Darf man das?“ bis hin zu der Frage, welche Schäden – und ob überhaupt – dem Kind am Ende bleiben. Auch die Wortwahl ist drastischer, als sie heute wäre. Die Rede ist vom Leben im Leichnam. Es lohnt, den Artikel (wieder) zu lesen – allein um zu sehen, wie sich Wahrnehmung und Anspruch in den vergangenen 27 Jahren verändert haben. (19.10.1992)
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13679986.html

2011 – also zeitlich uns bedeutend näher, berichtet der Spiegel umfangreich und aus dem Rückblick. 20 Jahre alt ist der Sohn, dessen Mutter während der Schwangerschaft und Geburt hirntot war. Der Bericht ist beeindruckend – denn er zeichnet die Erinnerungen der Ärzte, Krankenschwestern und des Vaters auf – und befragt den jetzt 20-jährigen Sohn. (20.6.2011)
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-79051538.html

Literatur und Infos zum Erlanger Baby sind auch auf Wikipedia zusammengetragen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Erlanger_Baby