Schön ist dieses Zeichen nicht, eindeutig ist es auch nicht. Aber es ist auffällig. Und darum geht es: Die gelbe Binde wird wohl von den meisten sofort gesehen und dann als Kennzeichen für Blinde verstanden. Sie ist als „Verkehrsschutzzeichen“ definiert und sie kann, entgegen der allgemeinen Wahrnehmung, von allen Menschen mit Behinderung getragen werden. Eingeführt worden ist dieses Zeichen nach dem Ersten Weltkrieg – als Schutz für die vielen Kriegsversehrten.

Die Krefelder Polizei informiert darüber bildlich und textlich prägnant:
https://krefeld.polizei.nrw/medien/gut-zu-wissen-das-verkehrsschutzzeichen

Nur: Was bedeuten eigentlich die drei schwarzen Punkte auf der Binde oder dem Button?

Die Bedeutung der Frage Gelb erschließt sich ja fast von allein: Sie ist eine Signalfarbe und fällt sofort auf. Doch die Suche nach einer Erklärung für die drei schwarzen Punkte gestaltete sich ziemlich schwierig. KI und Co. sind zuallererst bemüht, den Sinn der Binde und des Verkehrsschutzzeichens zu erklären. Nach der Bedeutung der Punkte befragt, kommt hier und da und nicht nur bei der KI schon mal die Brailleschrift der Blinden als Ursprung in Betracht. Immerhin sind Punkte ja ihr Wesen – sie besteht nur aus Punkten. Aber: Die Analogie zum B in Blindenschrift ist schlichtweg nicht vorhanden. Außerdem: Dem Sehenden erschließt sich die Bedeutung eines solchen Zeichens ja nicht, sofern er nicht zugleich mit der Blindenschrift vertraut ist. Und wie nach der Recherche jetzt längst klar ist: Die Binde mit den drei Punkten ist gar nicht nur für Blinde, sie kann von allen Menschen getragen werden, die mit einer körperlichen Einschränkung leben.

Also alles auf Anfang: Woher kommen die drei Punkte?

 Wikipedia hilft weiter, wenn man nach dem „Verkehrsschutzzeichen“ sucht: https://de.wikipedia.org/wiki/Verkehrsschutzzeichen

Hier finden wir zumindest den Urheber: Konrad Plathe. Er war Bibliothekar, Archivar, lebte in Berlin – und schlug im Jahre 1919 das uns bekannte Zeichen vor. Seine Denkschrift trug den Titel „Die Einführung eines Abzeichens für Schwerhörige“. Das Zeichen war den Deutschen längst vertraut. Seit 1910 bedeutete es im Straßenverkehr ein Verbot für Kraftwagen und Motorräder, wenngleich die Beschilderung regional sich durchaus unterscheiden konnte.

Seltsam.

Aber gut, wenn wir über den Sinn des Wortes Ursprung nachdenken, klärt sich auch das: Manche – oder alle? – Entstehungsgeschichten sind offenbar mit Sprüngen verbunden. Nicht nur sprachlich.

Nehmen wir diese Erkenntnis also einfach mal hin: Konrad Plathe verwies auf die drei Punkte auf gelbem Grund, die eigentlich in verschiedenen Regionen Deutschlands ein Verbot für Kraftfahrzeuge und Motorräder bedeuteten. Und er setzte sich offenbar mit seinem Vorschlag durch. Am 14.02.1930 behauptet das Solinger Tageblatt gar, dass dieses Zeichen international gelte:

„Bekanntlich ist das internationale Verkehrsschutzzeichen für Blinde und Taubstumme die gelbe Binde mit drei schwarzen Punkten.“ Nicht jeder Blinde trage sie gern – und vor allem: Sie werde ja nur auf der einen Seite gesehen. „Deshalb wurde der Versuch gemacht, die Binde statt auf dem Arm auf der Aktentasche zu tragen, so daß das Schutzzeichen je nach Bedarf nach rechts und nach links gezeigt werden kann.“
https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/8240424

Dieser ausgesprochen praktisch gedachte Vorschlag scheint sich aber dann doch nicht wirklich durchgesetzt zu haben. Und: Hinweise auf die Bedeutung der drei Punkte ergibt das Stöbern in alten Zeitungen auch nicht. Zumindest vorerst nicht.

Im „Nummernschildmuseum“ haben sich online Bilder alter Verkehrsschilder versammelt – und hier deutet der Autor die Zeichen dieser Zeit so: Die Anzahl der Punkte signalisiert, welchen Verkehrsteilnehmern das Durchfahrverbot gilt.
https://nummernschildmuseum.de/verkehrsschilder/?utm_source=chatgpt.com

Und das lässt sich nun doch wieder aus alten Zeitungen bestätigen. Der Lippspringer Anzeiger zum Beispiel macht am 11.01.1928 auf einen ganzen Schilderwald in Paderborn aufmerksam – und schildert auch ausführlich die Bedeutung der einzelnen Zeichen. Hier gilt: Bei einem Pfeil mit einem Punkt ist die Durchfahrt für Fahrräder und Motorräder verboten, ein Pfeil mit drei Punkten verbietet Kraftfahrzeuge aller Art, ein Pfeil mit fünf Punkten verbietet „Fahrzeuge aller Art“. An dieser Stelle wird also klar erkennbar, dass die Punktzahl unmittelbar mit der Fahrzeugkategorie verbunden war.
https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/zoom/162637
(Für alle Paderborner: Der Artikel listet genau auf, welches Verbotsschild wo aufgestellt wurde oder wird.)

Auch wenn solche Beschilderungen reichsweit weder einheitlich noch schlüssig waren: Das Prinzip, dass an der Anzahl der Punkte zu erkennen ist, welche Arten von Fahrzeugen an der bezeichneten Stelle nicht mehr weiterfahren dürfen, scheint doch ein wenig System gehabt zu haben.

1935 unterrichtet die Velberter Zeitung dann ihre Leser über neue Verkehrszeichen: „So konnte man beobachten, daß viele Autofahrer das neue Sperrschild auf der Friedrichstraße, Ecke Wilhelmstraße, ein rundes weißes Feld mit roter Umrandung nicht berücksichtigen und gegen die Einbahnstraße fahren. Es ist daher angebracht, darauf hinzuweisen, daß dieses Schild anstelle des früheren Pfeils mit den fünf schwarzen Punkten ein Fahrverbot für Fahrzeuge aller Art bedeutet.“
https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/1668425?query=%22Kraftfahrzeug%20Verbot%20Schild%20punkte%22~50

Im Dritten Reich wandern die drei Punkte auf gelbem Grund aufs Auto: 1943 verfasst der Reichsverkehrsminister einen Runderlass, wonach laut Kölnische Zeitung vom 11. März „schwerstbeschädigte Wehrmachtsangehörige und ehemalige Angehörige sowie andere Schwerstbeschädigte“ ihre Kraftfahrzeuge grundsätzlich ohne räumliche und zeitliche Einschränkung nutzen durften. Um das „für die Polizeibeamten kenntlich zu machen“, sollten sie das parkende Fahrzeug mit einem gelben Schild mit drei Punkten kennzeichnen, „das Verbot des Gebrauchs solcher Kennzeichen an fahrenden Fahrzeugen bleibt bestehen“.
https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/10955216?query=%22Kraftfahrzeug%20Verbot%20Schild%20punkte%22~50

Mit dem Ende des Dritten Reiches war diese Regelung hinfällig.

Heute gilt: Körperlich Behinderte können ihre Behinderung durch die Binde sichtbar machen, am Auto dürfen solche Hinweise jedoch nicht angebracht werden (siehe Artikel Verkehrsschutzzeichen, Wikipedia).
https://de.wikipedia.org/wiki/Verkehrsschutzzeichen

Zurück zu Konrad Plathe: Salopp gesagt, muss er sich gedacht haben, dass die Fahrer von Kraftfahrzeugen die drei Punkte auf jeden Fall als Verbotssignal würden wahrnehmen müssen.