Der Deutsche Jagdverband hat 2500 Menschen in Deutschland befragt – oder befragen lassen. Das ist schon die größere Hausnummer für Umfragen. Es sind auch bedeutende Zahlen, die als Ergebnis präsentiert werden (sollten). Und zwar sind 70 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass Wildfleisch gesundes und gutes Fleisch ist. So weit, so gut. Diesen Satz kann ja fast jeder unterschreiben, der nicht Vegetarier oder Veganer ist und der die Folgen von Tschernobyl für seit Jahrzehnten gegessen hält.

Aber die Deutschen sind nicht nur Denker. Sie sind auch Gourmets. Und so lautet die nächste Erkenntnis aus dieser Umfrage, dass die Hälfte der Deutschen mindestens einmal pro Jahr das Fleisch vom Wild essen. Auf dem Land tun’s zwei Drittel der Menschen sogar regelmäßig.

Diese Zahlen stammen von der Seite des Deutschen Jagdverbandes vom Oktober 2025 – sind also ziemlich aktuell. Und auch nachvollziehbar.
https://www.jagdverband.de/jeder-zweite-isst-regelmaessig-wild

Auch aktuell ist ein Artikel im Prisma, einer Fernsehbeilage in 250 deutschen Tageszeitungen, die nach eigenen Angaben 5,92 Millionen Leser hat.
https://www.prisma-verlag.de/prisma-gewinnt-sechs-zus%C3%A4tzliche-tr%C3%A4gertitel/?utm_source=chatgpt.com

Hier beginnt der Artikel mit denselben Zahlen: „Wildfleisch boomt! Laut Zahlen des Deutschen Jagdverbandes essen zwei Drittel der Bundesbürger regelmäßig Wild.“. Bloß: Der Jagdverband hatte von zwei Dritteln der Landbevölkerung gesprochen. Die gesamtdurchschnittsdeutsche Zahl lag da eher bei 50 Prozent und mit regelmäßig war da gemeint: einmal pro Jahr. Aber gut, in schreibender Eile oder mit eilender Schreibe kann man die Dinge schon mal durcheinanderbringen. Da steckt bestimmt keine böse Absicht hinter. Allenfalls eine gute.

Egal, ob wir nun im Prisma oder unmittelbar beim Jagdverband weiterlesen: Nach der Personenzählung geht’s an die Fleischtöpfe:

„In der Jagdsaison 2023/24 haben die Deutschen insgesamt knapp 27.000 Tonnen Fleisch von Wildschwein, Reh und Hirsch verspeist. Das entspricht umgerechnet rund 270 Millionen Wildwürsten. Auf dem Teller ganz vorn liegt Wildschwein mit über 13.000 Tonnen.“

Die 27.000 Tonnen Wildfleisch stehen gegenüber der Gesamtmenge des Fleisches, das die Deutschen essen, in zahlenmäßig kleiner Relation. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Heimat (ja, die Heimat ist seit dem 06.05.2025 mit dabei):

„Insgesamt belief sich der Fleischverzehr 2024 auf 4,44 Millionen Tonnen. Das waren 0,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Der rechnerische Fleischverzehr in Deutschland lag mit durchschnittlich 53,2 Kilogramm pro Person leicht über dem der beiden Vorjahre (2022: 52,8 sowie 2023: 52,9 Kilogramm pro Person). Insbesondere Hühnerfleisch war beliebter, während der Verzehr an Schweinefleisch in den vergangenen Jahren nahezu stagnierte.“
https://www.bmel-statistik.de/ernaehrung/versorgungsbilanzen/fleisch

Nachgerechnet: 0,61 Prozent des Fleisches, das die Deutschen verzehrt haben, sind also Wildfleisch. Die Hälfte der Deutschen, die regelmäßig Wildfleisch essen, müssen das also wahrscheinlich in sehr kleinen Portionen tun. Das wiederum könnte erklären, warum der Deutsche Jagdverband die 27.000 Tonnen Wildfleisch in Wildwürstchen umrechnet. Denn warum sollte er sonst mit 270 Millionen Würstchen aufwarten – wo wir ganz sicher davon ausgehen können, dass ein großer Teil der erlegten Rehe, Hirsche und Wildschweine zu Braten und Gulasch verarbeitet wird.

Aber wir können noch weiterrechnen: 270 Millionen Wildwürstchen im Jahr. Ende 2024 lebten in Deutschland 83,6 Millionen Menschen. Wollten wir die 270 Millionen (gedachten) Wildwürstchen auf diese Menschen verteilen, so hätte jeder in Deutschland lebende Mensch im Jahr 3,23 Wildwürstchen essen können. Gehen wir zurück auf die Hälfte der Deutschen, die nach Angaben des Deutschen Jagdverbandes tatsächlich regelmäßig Wild essen, dann hätten diese in 2024 jeweils 6,46 Wildwürstchen gegessen. Rechnen wir damit, dass zwei Würstchen für eine Mahlzeit ausreichen, dann haben die Menschen in Deutschland, die regelmäßig Wild essen, im Jahr 2024 dreimal je zwei Wildwürstchen gegessen. Das ist zweimal mehr, als der Jagdverband oben erfragt hatte.

Aber im Prisma hatten sich ja die Zahlen wie von Geisterhand verändert: Zwei Drittel der Deutschen, so hieß es dort, äßen regelmäßig Wild. Das sind 55,73 Millionen Bundesbürger, denen dann von der Gesamtmenge der Wildwürstchen knapp 5 Stück für 2024 zustehen. Ihnen stünden dann – rein rechnerisch – je zweieinhalb Mahlzeiten zu.

Zurück zum Gulasch und Braten: Wir dürfen ganz bestimmt annehmen, dass viele der Menschen, die regelmäßig Wild essen, auch gern zu diesen Gerichten greifen. Und wir dürfen ebenfalls annehmen, dass dabei die Portionen ein bisschen größer sind als die Mengenangaben fürs Würstchen. Schon allein deswegen, weil es sich ja um ein außergewöhnliches Mahl handeln dürfte. Und dann kommen wir ganz schnell zu der Erkenntnis, dass von der Hälfte der Deutschen die dreimal im Jahr theoretisch je zwei Wildwürstchen essen, einige nur zweimal im Jahr Wild essen – und dafür ein bisschen mehr in Form von Gulasch oder Braten.

Und was soll die ganze Rechnerei nun? Am Ende steht die Erkenntnis, dass das schöne Wort regelmäßig tatsächlich nur mäßig aussagekräftig ist, wenn es im Bereich der Mengenangaben eingesetzt wird. Aber ja: Die Hälfte der Deutschen isst regelmäßig Wild. Also vielleicht zu Ostern und Weihnachten. Und nein: Der Deutsche Jagdverband hat keine irreführenden Angaben in die Welt gesetzt. Nur ein wenig übertrieben – durch den Einsatz des Wörtchens regelmäßig. Und ja: Das Prisma war auf den Spuren der Jäger unterwegs. Um den deutschen Wildbret-Esser zu jagen. Sein Fang enthält aber durchaus auch Jägerlatein.

Doch es gibt auch eine realistische Darstellung vom Wildfleischverbrauch der Deutschen. Das Jägermagazin verteilt (im November 2019) das vorhandene Wildfleisch auf alle Normalverbraucher und gesteht jedem Normalverbraucher 250 Gramm Fleisch zu. Das ist etwas mehr als ein Würstchen. Die Mengenangaben passen also mit den hier gerechneten ganz gut zusammen. Nur: Das Jägermagazin hatte mit einer anderen Fragestellung begonnen: Warum essen die Deutschen so wenig Wild? Keine Spur vom Trend. Aber: Wenn Sie dem „nichtjagenden Endverbraucher“ selbst auf die Spur kommen wollen, dann lesen Sie hier weiter:
https://www.jaegermagazin.de/artikel/wildbret-in-deutschland-teil-1/?utm_source=chatgpt.com

Und was den Trend betrifft: Das Prisma arbeitet dran. Vielleicht können wir ja helfen.