Wer mehr über seine Zeit wissen will, ist ja manchmal gut beraten, sich in anderen Zeiten gründlich umzugucken. Für diese von Zeit zu Zeit auch sehr vergnügliche Geschichtsforschung hat das Zeitungsportal zeit.PunktNRW historische Zeitungen aus Nordrhein-Westfalen online gestellt – mithilfe vieler Akteure, wie u. a. das Land NRW und die Unibibliotheken Bonn, Düsseldorf und Münster. Auch im Deutschen Zeitungsportal finden Sie viele alte Zeitungen. Das Beste: Sie können dort auch Themen- und Wörtersuche betreiben. Allerdings: Sie müssen auch Frakturschrift lesen können. Doch das übt sich.

Hier auf der MEDNET Nachrichtenseite sollen nun von Zeit zu Zeit Meldungen und Nachrichten aus alten Zeiten eingestellt werden. Medizingeschichtliches, Ärztliches, Menschliches – dabei nicht nur Vergnügliches.

Wer danach selbst weiterrecherchieren möchte:

https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/newspaper
https://zeitpunkt.nrw/


25. April 1875. Die Düsseldorfer Nachrichten haben eine kleine Rubrik eröffnet. „Vermischtes“ heißt sie – und entspricht etwa dem, was in heutigen Tageszeitungen „Aus aller Welt“ oder „Panorama“ heißt und meist das letzte Blatt bildet. Überschriften und Bilder gibt es noch gar nicht, dicht an dicht stehen Buchstaben und Spalten. Genau hierher kommt der Ausdruck „Bleiwüste“. Doch tatsächlich besteht ja auch 1875 schon ein Bedarf, Meldungen schnell einordnen zu können. Und so ist in Sperrdruck an den Anfang gesetzt, was vielleicht eine Überschrift hätte werden können:

„S o n d e r b a r e s  P f a n d o b j e k t“

Es ist ein Totenschädel, um den es in dem besagten Artikel geht. Er wurde auf Antrag eines Gläubigers in einer Berliner Zahnarztpraxis gepfändet – und der zuständige Gerichtsbeamte, der nun die Auktion vornehmen soll, weigert sich, dieses zu tun. „Er meint, daß nach den bestehenden Gesetzen jeder Leichnam oder ein Theil desselben beerdigt werden müsse und es sich für einen Beamten nicht gezieme, gesetzlichen Vorschriften entgegenzuhandeln.“ Doch der kluge Beamte argumentiert noch weiter – und zwar im Sinne eines: Wo kämen wir denn dann hin? Zweifelsohne lauern da viele Gefahren. Die erste Gefahr wären die Schwierigkeiten, die sich ergeben würden, wenn jemand auf die Idee käme, die Reliquien der Heiligen zu versteigern. Bedrohlicher ist aber sein zweites Szenario: „… auch könne dann ein Gläubiger beantragen, den Leichnam seines Schuldners abzupfänden und zu versteigern.“ Käufer gebe es gewiss genug unter den Ärzten – und der Wert des Leichnams errechne sich dann aus seinen „Abnormitäten“ oder seltenen Krankheiten.

Sein Fazit: „Ein Werthobjekt sei ein Leichnam und jedes Stück desselben stets, wie ja unbestreitbar der abgepfändete Todtenkopf auf 5 Thaler geschätzt worden;“ Aber es könne eben nicht jedes Werthobjekt versteigert werden – und der Verkauf menschlicher Gebeine widerspreche dem Anstand und der Pietät.

Leider weiß die Düsseldorfer Zeitung nicht, wie das Gericht auf die Weigerung des Beamten reagiert hat – und eine Meldung darüber findet sich auch in den folgenden Ausgaben nicht.

Hier der Link zur Düsseldorfer Zeitung. Der Artikel findet sich auf der dritten Seite oben rechts.
https://zeitpunkt.nrw/ulbd/periodical/zoom/8909519