Von Mechthild Eissing auf Donnerstag, 25. Juni 2020
Kategorie: Gesundheitswesen

Von der Kirche in den Schlachthof - die Presse geht coronal viral

„Weg mit der Zugspitze – Freie Sicht auf den Watzmann“.

Dieser Slogan ist so alt wie vergessen. Vielleicht weil Ironie nie des Lesers Sache ist. Beim Hörer mag das anders sein – der Leser, so das Risiko des Schreibers, nimmt Vieles wörtlich. Deshalb vorab: Nehmen Sie mich bitte nicht wörtlich, wenn ich nun fordere:

Weg mit Kirche und Schlachthof.

Bislang hat das noch niemand in dieser Deutlichkeit gefordert – aber wir alle sind alle der Auffassung, dass die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen oft bis meistens menschenunwürdig sind. Unabhängig davon, ob sie schuld sind an den Corona-Ausbrüchen der jüngsten Zeit, ist es gewiss geboten, Mensch und Vieh mit Achtung zu behandeln. Darin besteht Einigkeit.

Schwieriger ist’s mit der Kirche. Der kann man politisch, gesellschaftlich, moralisch gerne und immer wieder Vorwürfe machen. Wir können auch über Ausbrüche schreiben, die schnell und manchmal auch mit Schadenfreude hochstilisiert wurden – aber nach zwei Tagen doch eher zum kalten Kaffee gehörten.

Was noch fehlt ist die große Corona-Krise in der Kirche. Alle warten drauf – und doch sind es meist die Evangelikalen, die Pfingstler und die kleinen Gemeinden, die für regionale Berichtswellen sorgen, die ins Überregionale überschwappen und dann, wenn der Sachverhalt untersucht wurde, sich als patente Ente erweisen: Meist war es nicht einmal der Gottesdienst, schon gar nicht der Gesang, der zum Quell des Hotspots wurde. Es waren private Feiern.  

Wie gesagt: Es fehlt noch immer der ganz große Corona-Kirchenausbruch, um die (politischen) Messer zu schleifen, mit denen wir der Kirche an den Kragen gehen. Kein Schlachtfest mit Kirche. Dabei ist die Sehnsucht nach dem Schlachtopfer allerorten spürbar. Und die Kirche würde sich dazu nahezu anbieten. Zumal sie das Opfer, das längst kein Schlachtopfer mehr ist, in den Mittelpunkt ihres Glaubens stellt.

Nun macht aber einer den Weg frei, der’s kann: Dirk Ippen zieht mit seinem Schlachtross, dem Münchner Merkur zu Felde und stellt Kirche und Schlachthof zusammen an den Pranger. Das Schlachtfest kann also beginnen: Man weiß nämlich nicht so genau, weiß der Merkur genau, ob nicht vielleicht die Mitarbeiter von Tönnies sich den Virus nach einem gemeinsamen Gottesdienst eingefangen haben. Im Gespräch ist auch ein gemeinsamer Restaurantbesuch.

Beruhigend, dass der Münchner Merkur journalistisch korrekt nur von Möglichkeiten spricht. Man konnte also keine Fakten auftreiben:

„Ob der Gottesdienst und der Restaurant-Besuch einiger Mitarbeiter Mitte Mai für das Infektionsgeschehen bei der Firma Tönnies im Juni verantwortlich ist, ist jedoch noch nicht klar.“

https://www.merkur.de/welt/coronavirus-toennies-guetersloh-laschet-lockdown-weissenfels-zahlen-news-rheda-tote-fleisch-deutschland-ausbruch-zr-13807798.html

Ebenso unklar ist jedoch, warum der Merkur den "Gottesdienst" halbfett gedruckt hat, den "Restaurant-Besuch" jedoch nicht. Doch der Merkur fettet im Allgemeinen gern - das erschwert dem Leser den Überblick. Wo alles schwarz ist, ist kein Schwerpunkt.

Bleibt die Frage nach der Quelle: Der Merkur nennt den Westfälischen Anzeiger und verlinkt auch, der Westfälische Anzeiger nennt t-online, gibt aber den Link nicht selbst an, t-online nennt als Quelle das Unternehmen und den Kreis Gütersloh und als Ort eine Kirche in der näheren Umgebung. Tönnies-Mitarbeiter waren es offenbar nicht, sondern Mitarbeiter von Westcrown, die bei Tönnies arbeiteten, sollen das Virus direkt von der Kirche in den Schlachthof getragen haben.

https://www.wa.de/nordrhein-westfalen/coronavirus-nrw-ticker-toennies-lockdown-quarantaene-guetersloh-rki-infizierte-lockerung-13806391.html

https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_88105842/corona-eklat-bei-toennies-virus-wanderte-wohl-von-schlachthof-zu-schlachthof.html

Mannomann –

Weg mit den Kirchen und den Schlachthöfen - Freie Sicht auf Supermärkte, Freizeitzentren, Saunen, Schwimmbäder ...

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