Von Mechthild Eissing auf Freitag, 20. Mai 2022
Kategorie: Gesundheitswesen

Überschriftliches oder über Schriftliches - Teil 2 der heutigen Nölerei ...

Gut, mit den Überschriften ist das so eine Sache. Sie zielen meist genau auf die Mitte des Themas und gehen dann trotzdem schon mal ab durch die Mitte, mittenmang dran vorbei, übers Ziel hinaus oder auch völlig daneben. Die FAZ traf hier ja beherzt fast das Gegenteil:
Kleine Klügelei - oder die FAZ und der versteckte Infinitiv

Der Gefahren im Umgang mit der deutschen Sprache – und mit Sprache überhaupt – sind natürlich viele. Beim Ärzteblatt läuft nicht nur sprachlich die Einsamkeit aus dem Ruder. Sie hat nämlich zugenommen. Aber nur moderat. Sie brauchen sich also nicht die Einsamkeit inmitten eines Speckgürtels vorzustellen. Wobei: Dieses Bild hängt nun wirklich schief. Und so hatte es das Ärzteblatt auch gar nicht gemeint, als es am 19.05.2022 titelte:

„Einsamkeit hat während der Pandemie moderat zugenommen“
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/134338/Einsamkeit-hat-waehrend-der-Pandemie-moderat-zugenommen

Also das schiefe Bild zur Seite, die Einsamkeit hat keine Ess-Störung. Und auch keinen Zählzwang. Den haben aber möglicherweise die Statistiker. Wie denn soll man - bitteschön - die Einsamkeit zählen oder gar messen? Welche Einheit? Stunden? Anzahl von Personenkontakten? Gefühlte und abgefragte Werte auf einer Skala von 1 bis 10?

Ich habe den Artikel durchsucht und erforscht. Nach bestem Wissen und Gewissen. Und kann Ihnen sagen: Die Einsamkeit hat in der Pandemie um 5 Prozent zugenommen. Im Durchschnitt. Das ist dann wohl das, was die Überschrift moderat nennt. So das Ergebnis einer Metaanalyse von 34 Studien aus 4 Kontinenten. Aber: keine Infos darüber, wer die Skala mit welchen Messwerten erstellt und angelegt hat.

Sie werden nicht mehr erfahren, selbst wenn Sie den Artikel selbst lesen. Dass der Durchschnitt möglicherweise gar keine Rolle spielt für die Einsamkeit eines Einzelnen, vieler Einzelner, einer Gruppe, einer Minderheit – kein oder kaum Thema. Der Durchschnitt an Einsamkeit ist pro Mensch um fünf Prozent gestiegen. Das ist moderat. Und damit, so die Conclusio, sei bewiesen, dass die Pandemie keine „Pandemie der Einsamkeit“ ist.

Dennoch, auch das verschweigt das Ärzteblatt nicht: Gefährdete Gruppen sollten die Ärzte im Auge behalten. Und wenig später: Frauen sind mehr betroffen als Männer.

Fazit: Behalten Sie die Frauen im Auge! Ich will ja nicht sagen, dass die gefährlich sind. Das hat niemand gesagt. Auch nicht das Ärzteblatt. Im Zweifelsfall wissen Sie ja selbst ganz genau, wie gefährlich und/oder gefährdet Frauen sind. Ich persönlich, in meiner Eigenschaft als Frau, verspreche Ihnen hiermit feierlich: Für heute packe ich keine Überschrift mehr an oder aus. Ich bin nämlich extrem gefährdet und anfällig. Fürs Missverständnis. Zumindest heute.   

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