Insektenschutz im Rotlichtbezirk – so ließe sich die Quintessenz der Überschrift zusammenfassen, die ins Auge sticht, bevor man sie begriffen hat. Der Kölner Stadt-Anzeiger hat am 30.11.2025 sprachlich neu zusammengesetzt, was von nun an auch zusammengehören sollte. Der Leser aber, der schneller gucken kann als lesen, sieht vor allem eines: rot. So ist die im Foto abgebildete Beleuchtung auf dem Rundweg am Oulu-See in Steinbüchel. Steinbüchel ist ein Stadtteil von Leverkusen. Das Rotlicht, das sanft auf den Rundweg fällt, soll nun dem Schutz der Insekten dienen. Denn es zieht sie, aufgrund der Lichtfarbe, nicht mehr an. Insektenschutz also:
https://www.ksta.de/region/leverkusen/stadt-leverkusen/leverkusen-insektenschutz-oulusee-ist-jetzt-rotlichtbezirk-1159845
Der Artikel von Ralf Krieger liegt hinter einer Bezahlschranke. Aber: Das Foto vom Rotlicht auf dem Rundweg ist kostenfrei zu betrachten. Im Text, der nicht kostenlos ist, zitiert der Autor dann Marlene Dietrich, die von denjenigen Männern singt, die sie umschwirren wie Motten das Licht.
An diesem Punkt setzen wir jetzt wieder beim Insektenschutz ein. Und beim Sprachwandel. Der Kölner Stadt-Anzeiger macht sich sozusagen zum Wandlungsgehilfen, wenn er diese neue Form des Insektenschutzes in den Titel nimmt.
Polysemie nennen die Sprachwissenschaftler, wenn ein Wort verschiedene Bedeutungen haben kann. Bislang haben wir Insektenschutzmittel zum Beispiel gegen Mücken verwendet. Nun aber drehen wir die Bedeutung des Wortes Insektenschutz ganz einfach um. Mit Rotlicht. Das muss nicht sachlich falsch sein. Nein, es ist überhaupt nicht falsch. Wir müssen Insekten schützen. Aber sprachlich ist es mindestens komisch, wenn unsere Schützenhilfe nun nach neuen Insektenschutzmöglichkeiten sucht.
Wenn wir hier nun von Polygamie statt von Polysemie reden würden, lägen wir sachlich ziemlich daneben. Sprachlich aber ist das der richtige Weg: Die Polygamie ist übersetzt einfach nur das Vielspiel. Lassen Sie sich nicht von denen täuschen, die die Polygamie mit dem Wort Vielehe oder ganz und gar einseitig mit dem Wort Vielweiberei übersetzen. Der Polygame, sofern er sich auf die reine Sprache hinter seiner Benennung beruft, spielt halt gern viel. Sie kennen ja den Satz: „Der will nur spielen!“ Hier also mit Rotlicht und Insekten. Auf den Hund kommen wir später noch.
Dieses Wechselspiel können wir problemlos fortsetzen: Versuchen Sie mal, das Mottenschutzpapier umzudrehen – sprachlich wie inhaltlich: Wir müssten dann die Motten in Papier einpacken, um sie zu schützen. Die Frage, ob sich Watte nicht besser eignet, stellt sich dabei nur denen, die gerne in Bildern und Redewendungen sprechen. Aber wir haben an dieser Stelle Watte in den Ohren und bleiben fürs Polysemantische in der Nähe des Kölner Stadt-Anzeiger, der beim Insektenschutz vom Rotlichtbezirk redet.
Die deutsche Sprache liefert uns nämlich noch viel mehr Spielraum für Mordsspaß. Drehen Sie doch mal an dem Spieß, an dem sprachlich der Polizeischutz aufgehängt ist. Wann bedarf denn die Polizei des Schutzes? Muss nicht, wer Insekten (zu Recht) schützt, auch beginnen, darüber nachzudenken, wie wir unsere Polizei, gerade in diesen unseren schlechten Zeiten, besser schützen müssen? Die Innenminister der Länder tun das übrigens. Mit Bodycams. Zum Beispiel. Aber brauchen wir für den Schutz unserer Polizisten nicht auch unbedingt das Rotlicht? Oder sollten wir stattdessen doch den Rotlichtbezirk, welchen auch immer, unter Polizeischutz stellen? Nicht wegen des Rechts, mehr so wegen der sprachlichen Ordnung?
Aber wir wechseln jetzt wieder den Spielraum und schicken Sie ins Affentheater! Dort stellen Sie fest, dass Sie einen Bärenhunger haben. Angesichts obigen Polizeischutzes vielleicht sogar einen Mordshunger. Den können sie dann dort vielleicht mit Hundekuchen stillen. Denken Sie dabei aber bloß nicht an den kalten Hund. Der ist nichts weiter als ein eigenartiges Teekesselchen. Wir aber spielen ja gerade Polysemie. Also gucken sie im Affentheater vielleicht zufällig aus dem Fenster und sehen im Kindergarten, wie der Kindergärtner Kinder anbaut. Ja, vor langer Zeit haben Sie gelernt, dass die Fortpflanzung viel mit Bienen und Blüten zu tun hat. Aber: Die Bienen sind für die Fortpflanzung der Menschen ja schlichtweg nicht zuständig. Sie gehen anderen Geschäften nach und produzieren: Blütenhonig aus Blüten – und Bienenhonig … Sie sehen, wohin ich Sie führen will: Vom Affentheater mit Blick auf den Kindergarten kommen Sie nun gleich in den Irrgarten.
Wenn sie jetzt noch den roten Faden in der Hand haben, vielleicht von ganz oben aus dem Rotlichtbezirk am Oulu-See, dann grüßen Sie mir Ariadne. Die sammelt doch diese Fäden, oder? Und vergessen Sie den Bienenschutz nicht. Denn: Der Honig ist nicht weit vom Stachel. Sagt man.