Von Mechthild Eissing auf Freitag, 05. Dezember 2025
Kategorie: Gesundheitswesen

Die Zahnbürste im Wandel der Zeiten

Die Menschen putzen sich seit Menschengedenken die Zähne. Und das nutzt nicht nur den Zähnen und den Zeitgenossen. Zeitgenössische Untersuchungen verweisen gern darauf, dass auch die Herzgesundheit von der Zahnpflege profitiert – und mangelnde Zahnpflege möglicherweise auch ihren Beitrag zu Schlaganfällen leistet.

Die neueste Nachricht beim Deutschlandfunk1 ist pragmatisch: Die beste Zahnbürste ist die, die richtig benutzt wird. Das ist doch mal ein Satz fürs Lehrbuch. (Alle Quellenangaben in diesem Text sind als Fußnoten verlinkt.)

Aber: Auch wenn Zahnpflege bestimmt so alt ist wie die Menschheit: Die Zahnbürste ist jünger. Medscape2 hat die historischen Spuren gesammelt. Demnach finden sich in Babylonien um 3500 vor Christus Vorstufen der Zahnbürste – und die Chinesen sollen um 1000 vor Christus Zahnbürsten genutzt haben. Zusammen mit Kinderurin als Mundspülung.

Wer jetzt „Igitt“ denkt, dem sei gesagt: Auch die Römer wussten vom Nutzen des Urins als Mundspülung. Und die Eigenurinbehandlung3 ist nicht nur alternativmedizinische Gegenwart, sondern auch medizinische Vergangenheit.

In Europa erlebte die Zahnbürste – mit Griff aus Elfenbein – und die Zahnbürste überhaupt gegen Ende des 18. Jahrhunderts ihre erste Blüte- und Werbezeit. Maßgeblich beteiligt daran war ein Londoner Apotheker, der überaus erfolgreich seine eigenen Tinkturen und Wässerchen nach Europa und Übersee vermarktete. Online sind über Thomas Greenough4 noch nicht sehr viele Einträge gewidmet, über seinen Enkel findet man seine Existenz immerhin bei Wikipedia bestätigt.

Die „Bönnische Anzeige von gelehrten Sachen, Staats-Begebenheiten und vermischten Neuigkeiten“ ist eine Zeitung, in der Greenough für seine Produkte warb. Seine Anzeige5 vom 25.11.1766 sah so aus:

"Des Greenoughs berühmte Zahn=Tincturen sind hier angekommen. Wegen der nützlichen Erfindung und Verkaufung derselben haben Se. Großbritanni­sche Majestät ihm ein Privilegium zu ertheilen ge­ruhet. Die erste dieser Tincturen verwahret die Zähne, säubert sie, und benimmt aller Unreinigkeit, machet sie sehr weiß und schön, befestiget diejenige, welche loß sind, kömmt der anwachsende Fäule zu­vor, und heilet der Scharbock im Zahnfleische gänzlich. Die zweyte Tinctur hilft wider die heftigen Zahnschmerzen, und man verspühret, sobald sie ge­braucher wird, Linderung. Diese Tincturen wer­den in Commission verkauft in Paris bey Herrn le Brun, Materialhändler in der Strasse Dauphines in Brüssel bey Herrn de Lille, Galanteriehändler; Amsterdam bey Herrn B. Rigagneau, nahe bey der Börse; Hamburg bey den Buchhändlern Petit und Dumontier: Frankfurt am Mayn bey Joh. Wendel Galanteriehändler, und zu Cölln bey Herrn Johann Krahn sel. Wittwe, und Herrn J. J. Mittelbach­Kaufmann im rothen Krebs am Bollwerke, zu sechs und dreyßig Stüber das Fläschchen. Helfenbeinen englische Zahnbürsten, nebst einem Schwamm, zum Gebrauche dieser Tincturen, werden an selbige dato a sechszehn Stüber das Stück verkaufet."

Die Schreibweise „Helfenbein“ war damals gebräuchlich, und die Zahnbürste sollte es wohl werden. Schätzungen über den Wert des Stübers sind natürlich immer nur Annäherungen – doch wenn sich Werte und Welt völlig unterscheiden, ist der Wert einer solchen Annährung manchmal auch zweifelhaft. Eine Sammlung von Währungen und Werten für das 18. Jahrhundert beim genealogy.net6 hilft vielleicht ein wenig weiter, auch wenn die Preise und Werte sich immer regional unterschieden haben. Demnach hätte dann diese Zahnbürste im westfälischen Lembeck den Wert von zwei Dritteln eines Schafes gehabt. Also: kein Luxusgut und gewiss auch kein Alltagsgegenstand.

Zurück in die Gegenwart: Manchmal schwimmen im WWW, dem großen Ozean von Wort und Wahnsinn, auch Texte oben, die die großen und kleinen Fragen der Zeit aus ganz anderer Perspektive betrachten. Hier ist es das Neue Deutschland7 (nd), das darauf verweist, dass die elektrische Zahnbürste ursprünglich erfunden wurde, um behinderten Menschen die Zahnpflege zu erleichtern. Schnell wurde klar: auch für alle anderen Menschen ist Elektrizität an dieser Stelle von Vorteil. So gerät der Artikel zum Plädoyer, sich um die Bedürfnisse von Menschen mit Einschränkungen zu kümmern. Denn ganz gewiss ziehen viele Erfindungen dann größere Kreise als geplant.

Quellen:

 1) Der Artikel vom 05.12.2025:
https://www.deutschlandfunknova.de/nachrichten/dentalhygiene-die-effektivste-zahnbuerste-ist-die-die-man-richtig-bedient

 2) Der Artikel von Dr. Melanie Salz ist vom 21.11.2025:
https://deutsch.medscape.com/s/viewarticle/historischer-%C3%9Cberblick-mundhygiene-laufe-zeit-2025a1000w95?ecd=mkm_ret_251205_mscpmrk-DE_InFocus__etid7917155&uac=473055MZ&impID=7917155

 3) Wikipedia zur Eigenurinbehandlung:
https://de.wikipedia.org/wiki/Eigenharnbehandlung#:~:text=Die%20Eigenharnbehandlung%20(synonym%20f%C3%BCr%20Eigenurintherapie,oder%20per%20Spritze%20verabreicht%20wird.

 4) Thomas Greenough ist der Großvater von George Bellas Greenough:
https://en.wikipedia.org/wiki/George_Bellas_Greenough

 5) Der Artikel im Bönnischen Anzeiger:
https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/7392875

 6) Vom Wert des Geldes Ende des 18. Jahrunderts:
https://wiki.genealogy.net/Geld_und_Kaufkraft_ab_1750?utm_source=chatgpt.com

 7) Der Artikel im Neuen Deutschland ist von Sarah Yolanda Koss, 02.12.2025:'
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195907.menschen-mit-behinderungen-inklusion-und-die-geschichte-einer-zahnbuerste.html

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